Winterdienst der ASFINAG
Winterdienst der ASFINAG

© ASFINAG

Auto und Winter

Salzstreuung: Das Umdenken hat begonnen

Was Autoimporteure und Straßenerhalter gegen das Rostproblem tun. Woran Kunden denken sollten.

von Maria Brandl

01/12/2017, 01:02 PM

Die Überraschung war groß: Selbst neue Pkw zeigten Rostschäden, die seit der Vollverzinkung der Karosserien endgültig erledigt schienen. Sogar von gebrochenen Fahrwerksteilen wurde am Stammtisch erzählt.

Mehr Rost

ein ActiveCampaign Widget Platzhalter.

Wir würden hier gerne ein ActiveCampaign Widget zeigen. Leider haben Sie uns hierfür keine Zustimmung gegeben. Wenn Sie diesen anzeigen wollen, stimmen sie bitte ActiveCampaign zu.

Johann Schmidinger, Service-Technik-Leiter der Porsche Austria bestätigt: "Seit 2003 sind die Schadensfälle mit verstärkter Korrosionsbildung stark angestiegen." Die Händler und Importeure sahen sich gewaltigen Kosten gegenüber, denn vielfach rosteten die Autos bereits während der Garantie-/Gewährleistungszeit. Das Seltsame: Das Rostproblem traf in diesem Ausmaß nur Österreich. Schmidinger: "Die Schadensfälle in Österreich sind im Vergleich zur Schweiz rund um den Faktor 10 höher." Das Problem trifft alle Marken, so Christian Pesau, Geschäftsführer des Arbeitskreises der Automobilimporteure.

Salz

Als Ursache war bald ein Schuldiger gefunden: Die Salzstreuung in Österreich, konkret das hier bei tiefen Temperaturen (unter minus 8 Grad) zusätzlich eingesetzte Kalziumchlorid neben der üblichen Kochsalzlösung (Natriumchlorid). Vor allem die Asfinag, die für die Betreuung der Autobahnen zuständig ist, wurde wegen zu aggressiver Salzstreuung kritisiert. Sie verteidigte sich mit der verschärften Wegehalterhaftung seit der Vignettenpflicht in Österreich.

Schweiz

Die Schweiz hat auch eine Vignettenpflicht für Autobahnen, aber offenbar vonseiten des Gesetzgebers einen entspannteren Zugang zu winterlichen Fahrbedingungen: Bis vor Kurzem wurden selbst Autobahnen in der Nacht bei Schneefall nicht geräumt. Bei einem Unfall hatte der Auffahrende Schuld und nicht der Autobahnbetreiber. Unter diesen Rahmenbedingungen kommt die Schweiz auch mit weniger Kalziumchlorid bei der Salzstreuung aus.

In Österreich forderte der Verband der Automobilimporteure die Asfinag und Straßenmeistereien, die ebenfalls Kalziumchlorid einsetzen, auf, nach weniger aggressiven Alternativen zu Kalziumchlorid zu suchen und durch eine bessere Streutechnik die Menge des bekämpften Salzes zu senken.

Alternativen

Doch die Alternativen sind "sehr bescheiden", wie Heimo Maier-Farkas von der Asfinag mitteilt. Weder die von vielen geforderte Zuckermelasse noch andere Alternativen hätten die in Österreich geltenden Anforderungen erfüllt. "Im Echttest sind alle gescheitert. Wir haben bei der Asfinag wirklich sehr viel experimentiert." Einige sind in der Realität nicht so kältefest wie im Labor, andere über den Sommer nicht lagerfähig, andere nicht ausreichend verfügbar, einige zu teuer. Kalziummagnesiumacetat kostet etwa das 21-fache der Kochsalzlösung, ergab ein Forum des GSV, selbst die Zuckermelasse kommt auf den 10-fachen Preis. Das Kalziumchlorid selbst kostet rund viermal so viel wie Kochsalz.

Lkw

Dass das Rostproblem auch mit der Bauweise neuer Pkw zu tun hat, zeigt sich daran, dass Lkw kein auffälliges Rostproblem durch die heimische Salzstreuung haben. Anders als Pkw würden bei Lkw beim Fahrwerk praktisch nur rostfreie hochfeste Stähle eingesetzt, so Franz Weinberger, MAN und Sprecher der österreichischen Nfz-Importeure. Zudem verfügten sie über einen sehr guten Unterbodenschutz. Bei Pkw hingegen erfordern die immer beliebteren Verbundmaterialien, die Gewicht sparen, einen erhöhten Rostschutz, der wiederum den Umweltauflagen zuwiderläuft, mit möglichst wenig Wachs und Öl auszukommen.

Maßnahmen

Inzwischen gibt's ein Umdenken, viele Importeure lassen bereits bei Neuwagen-Transporteuren (z.B. Lagermax, Hödlmayr, Gebr. Weiß) einen zusätzlichen Unterbodenschutz und ein Korrosionsschutzwachs beim Fahrwerk anbringen. Für die Kunden von Porsche Austria ist dies z.B. gratis. Laut Schmidinger hält der zusätzliche Schutz rund fünf bis sechs Jahre. Die Wirksamkeit sei am Rückgang der Schadensfälle zu sehen. Hödlmayr bietet das Service auch für Privatkunden an.

Aber auch die Asfinag gibt einen positiven Ausblick: "In zwei, drei Jahren wird auf Österreichs Autobahnen kein Kalziumchlorid mehr gestreut werden." Neue Forschungen mit Kochsalz und verbesserter Ausbringung ("Firestorm") ließen große Fortschritte erkennen. Bei entsprechenden Erfolgen könnten auch die Straßenmeistereien, die etwa die Zufahrten zu Skiregionen betreuen, folgen. Bis dahin sollten Pkw-Besitzer ihre Rost-Prophylaxe fortsetzen und das Auto ausreichend schützen und waschen.

Zwischen Enteisung und Produkthaftung

Die Salzstreuung brachte eine deutliche Erleichterung des Winterdienstes, der früher mit Schneepflug und Splittstreuung auskommen musste. Wurde Salz anfangs nur trocken gestreut, zeigte sich, dass eine Flüssigstreuung viel effizienter ist und länger auf der Fahrbahn verbleibt. Kochsalz (Natriumchlorid) ist jedoch nur bis ca. minus 8 Grad wirksam.

Kalziumchlorid wird bei großer Kälte (unter minus 8 Grad) zugesetzt. Die Salzlösung wird vor dem Schneefall versprüht und erleichtert die Schneeräumung danach. Es ist viel aggressiver als Kochsalz und wird als Hauptgrund für die vermehrten Rostschäden angesehen. Es ist rund vier-mal teurer als Natriumchlorid (Kochsalz).

Was grob gesprochen jeder Hausbe- sitzer kennt, trifft auch Straßenerhal- ter, die Wegehalterhaftung. Beson- ders streng ist die Haftung im Be- reich der mautpflichtigen Strecken, die von der Asfinag betreut werden. Der heimische Gesetzgeber ist da anspruchsvoller als der Schweizer, wo trotz Vignettenpflicht etwa bis vor Kurzem keine Schneeräumungs- pflicht auf Autobahnen während der Nacht galt. Für den ÖAMTC geht hier wie bei der Asfinag Sicherheit vor.

Vorsorge

Das aggressivere Streumittel Kalziumchlorid setzt nicht nur gebrauchten Pkw zu, sondern auch Neuwagen. Bundesinnungsmeister Friedrich Nagl gibt folgende Tipps gegen Rostschäden:

Nach Fahrten auf gesalzenen Bundesstraßen oder Autobahnen das Auto unbedingt gründlich reinigen, auch am Unterboden, bevor es in der Garage abgestellt wird. Autos halten eine Wäsche selbst bei minus 5 Grad aus. In beheizten Garagen führt das aggressive Salz auf Autos übrigens am schnellsten zu Rostschäden.

Zusätzlich zur Autowaschanlage rät Nagl zur Lanzenwäsche, mit der Fugen gereinigt werden können, wo die Waschbürsten nicht hinkommen. Dabei auch die Wischergummi wegklappen, damit sonst abgedeckte Hohlräume gereinigt werden. Achsen, Radkästen, Felgen nicht vergessen.

Vor und nach dem Winter den Unterbodenschutz erneuern und Fahrwerk schützen lassen. Professionellen Schutz bieten auch Autotrans-porteure wie Lagermax und Hödlmayr an. Kosten für einzelne Pkw: ab ca. 60 € (Hödlmayr). Dieser Schutz hält mindestens zwei Jahre.

Schweißpunkte, Kanten und Falze können von Autobesitzern selbst oder in der Werkstatt mit Sprühöl geschützt werden.

Türdichtungen sollten übrigens vor der Autowäsche mit Paraffin oder Gummipflegemittel behandelt werden, damit sie nicht anfrieren.

Die Türschlösser am besten mit einem Klebestreifen vor der Wäsche abdichten.

Kalt erwischt

Die Natur ist zur Komfortzone geworden. Nicht überall, aber dort, wo man es sich leisten kann und wo man glaubt, es für seine Gäste auch leisten zu müssen. Angefangen vom beheizten Skilift bis zur schneefreien Anfahrt zum Wellnesshotel auf 2000 m Höhe selbst im tiefsten Winter. Letzteres bedingt den Einsatz entsprechend effizienter, sprich, aggressiver Salzstreuung.

Das hat viele kalt erwischt. Die Nebenwirkungen des Komforts waren dramatischer als erwartet. Das bei uns stärker als anderswo eingesetzte Streumittel Kalziumchlorid führte hier zu 10-fach höheren Schadensfällen als etwa in der Schweiz, so Porsche Austria. Kalziumchlorid deckte Schattenseiten moderner Pkw auf: Wegen der Vollzinkung und strengerer Umweltauflagen war der Unterbodenschutz reduziert worden, Fahrwerksteile sind nicht geschützt. Gleichzeitig werden immer mehr Verbundmaterialien aus Gewichtsspargründen verwendet, die einen besonders guten Korrosionsschutz benötigen.Wurden anfangs nur die Straßenerhalter aufgefordert, eine Lösung fürs Rostproblem zu suchen, erkannten nach und nach auch Autoimporteure, dass sie durch einen zusätzlichen Unterboden- und Fahrwerksschutz bei Neuwagen die Schadensfälle, die sie viel Geld kosten, entschärfen können. Zum Nachdenken brachten sie wohl auch die Lkw, wo das Problem praktisch nicht auftritt. Lkw haben guten Unterbodenschutz und rostfreien Stahl fürs Fahrwerk.

Jetzt müssen nur noch die Autobesitzer umdenken und nach jeder Fahrt auf salznasser Straße ihr Auto gründlich waschen.

Kommentare

Kurier.tvMotor.atKurier.atFreizeit.atFilm.atImmmopartnersuchepartnersucheSpieleCreated by Icons Producer from the Noun Project profilkat