Ein Zeichen! Der Welthandel lebt

Der größte Handelspakt tritt in Kraft. Und niemanden interessiert's.
Hermann Sileitsch-Parzer

Hermann Sileitsch-Parzer

Der größte Handelspakt tritt in Kraft. Und niemanden interessiert's.

von Hermann Sileitsch-Parzer

über das WTO-Abkommen

Für die Presse-Agentur war die Meldung vier dürre Zeilen wert. Zugegeben, es klingt auch nicht gerade spektakulär, dass Ruanda, Tschad, Oman und Jordanien nun das Abkommen über Handelserleichterungen (Trade Facilitation Agreement, kurz TFA) ratifiziert haben. Dabei hat das gewaltige Auswirkungen: Denn somit haben per 22. Februar 2017 insgesamt 112 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO den Deal unterfertigt und abgenickt. Der Pakt, der 2013 in Bali vereinbart worden war, tritt dadurch in Kraft (kurier.at berichtet).

Welcher Handelspakt? Wundern Sie sich nicht, wenn Sie zum ersten Mal von der Existenz dieses Abkommens lesen. Das öffentliche (und veröffentlichte) Interesse daran ist nämlich ähnlich, wie gegenüber handelspolitischen Themen generell bis vor wenigen Jahren: Null. Nun könnte man denken, dass hätte sich seit TTIP, CETA oder TPP geändert. Fehlanzeige.

Lebenszeichen der WTO

Selten klaffen journalistische Einschätzungen und tatsächliche Bedeutung so weit auseinander wie in Fragen des Welthandels. Denn das TFA ist der mit Abstand größte und weitreichendste Handelspakt, über den aktuell verhandelt wurde. Zum Vergleich: Das EU-Kanada-Abkommen CETA, das (von Befürwortern wie Kritikern) nahezu zum Jahrhundertereignis hochstilisiert wurde, steht in Wirklichkeit für deutlich weniger als ein Prozent des Welthandels.

Das multilaterale TFA-Abkommen hingegen betrifft alle 164 WTO-Staaten. Und es ist ein dringend benötigtes Lebenszeichen - sowohl für die WTO, die mit dem Scheitern der Doha-Freihandelsrunde in der Dauerschleife gefangen schien. Aber auch für die Liberalisierung des Welthandels insgesamt, die derzeit durch Protektionismus, " America first" und Globalisierungsgegner in Frage gestellt wird.

Zollbürokratie

Worum geht es? Das TFA sorgt für einen Abbau der Bürokratie, indem es die Zollprozeduren vereinfacht und beschleunigt. Und, soweit möglich, überhaupt durch digitale Standard-Formulare ablöst. Das ist ebenso technisch, wie es klingt. Die Auswirkungen auf den Handel sind aber beträchtlich, weil die Zollbürokratie enorme Kosten verursacht. Laut WTO-Chef Roberto Azevêdo sinken die Kosten um durchschnittlich 14,3 Prozent. Besonders hilfreich sei das für Schwellen- und Entwicklungsländer, wo die bürokratischen Hürden wesentlich höher und mühsamer seien als in den Industriestaaten. In Summe verschaffe das dem Welthandel einen Anschub um rund 1000 Milliarden Dollar pro Jahr.

"Die Auswirkungen sind damit größer, als wenn alle weltweit bestehenden Zölle schlagartig abgeschafft würden", sagte der brasilianische WTO-Chef. Er sieht darin die "größte Reform für den Welthandel in unserer Generation".

Erwarten Sie aber nicht, dass das @realDonaldTrump eine Twitter-Nachricht wert sein könnte ...

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