Zitternd in die neuen Zeiten

Die Bundeshymne sieht uns "Mutig in die neuen Zeiten" marschieren. Dafür müssen wir aber einiges tun.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Die Bundeshymne sieht uns "Mutig in die neuen Zeiten" marschieren. Dafür müssen wir aber einiges tun.

von Dr. Helmut Brandstätter

über den Wandel der Zeit

Wir reden ja gerne von der neuen digitalen Welt, wo der Kühlschrank schon bald selbsttätig das Joghurt bestellt, das die Drohne sogleich liefert, während wir im automatisch gesteuerten Auto ein Nickerchen machen. Und wir sind gleichzeitig nicht in der Lage, Kuverts herzustellen, die eine ordentliche Briefwahl ermöglichen. Was für eine Welt des Übergangs, der Verwirrung und Unsicherheit. Wenn FPÖ-Chef Strache nun sagt, dass "das System" mit einer Wahlverschiebung einen Bundespräsidenten Hofer verhindern will, ist das natürlich bewusster Unsinn, der eben auf das Gefühl verunsicherter Menschen zielt.

Unsicherheit – das ist wohl das Schlüsselwort für alle industrialisierten Länder, die seit dem 2. Weltkrieg in einer erstaunlichen Stabilität funktioniert haben, trotz des Kalten Krieges, der konjunkturellen Zyklen und der vielen regionalen Krisen. Letztlich war alles berechenbar – und überraschende Ereignisse wie der Zerfall von Mauer und Kommunismus verliefen auch in geordneten Bahnen. Seit dem Angriff auf das World Trade Center, der sich morgen zum 15. Mal jährt, ist die Welt unruhig, aber es war der wirtschaftliche Einschnitt der Pleite der riesigen Lehman-Bank, der symbolisch für das Ende jeglicher Sicherheit steht. Die Digitalisierung, also die weltweite Vernetzung und Gleichzeitigkeit, die die Illusion von Gleichheit erzeugen will, verunsichert in der Übergangsphase erst recht.

Dieses Gefühl der mangelnden Stabilität geht auch tief in bürgerliche Schichten hinein, die ihre derzeitige Situation durchaus positiv einschätzen, aber sorgenvoll in die Zukunft blicken. Laut einer Studie des deutschen Allensbach Instituts bewerten 75 Prozent der 30- bis 59-Jährigen ihre Lage als "gut" oder "sehr gut" , gleichzeitig sieht fast die Hälfte dieser Gruppe den kommenden 12 Monaten mit Sorge und Skepsis entgegen. Die "wachsende Kluft zwischen Arm und Reich" spielt dabei eine Rolle, auch die "Angst vor Armut im Alter."

Offenheit gegen autoritäre Regime

Unsicherheit hat politische Auswirkungen. In den USA gibt es Umfragen, wonach Donald Trump dort punktet, wo Menschen eine Verschlechterung ihrer Lage befürchten, das gilt nicht nur für Ärmere, sondern auch für Wohlhabende, die Angst haben, ihren Wohlstand zu verlieren. Optimisten werden eher für Hillary Clinton stimmen. Das heißt aber, dass Ängstliche autoritäre Regime oder zumindest Figuren suchen. Trump spielt damit, indem er sogar Sympathien zu dem in den USA wenig beliebten "starken Mann" Putin äußert.

Hoffnungsvoll hingegen äußerte sich Clintons Internet-Berater Alec Ross in einer italienischen Zeitung: Die neue Welt werde aus der Freiheit erwachsen, da das Internet keine totale Kontrolle zulasse, sondern ganz im Gegenteil Kreativität und Offenheit fördere.

Unsere Gesellschaft wird entscheiden, hoffentlich mit korrekten Wahlkarten. Das wäre schon einmal ein kleines Stück Sicherheit. Man wird ja bescheiden.

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