Wer will, kann sich schon Sorgen machen

Nicht wegen der Wahl. Im Gegenteil. Wir können wählen, das wird vielleicht nicht immer so bleiben.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Die Zerstörung einer Demokratie ist schmerzhaft für fast alle, ihr Wiederaufbau dauert lange.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Gefahren für die Demokratie

Die FPÖ und das Wort Lüge, das ist ein inniges Verhältnis. "ER hat euch nie belogen" ließ Jörg Haider plakatieren und versprach, dass Kärnten unter seiner Führung und mit der Hypo-Bank reich werden wird. Das Missverhältnis zwischen Ankündigung und Realität betrug schließlich viele Milliarden. Die Österreicher werden noch lange dafür bezahlen.

Am Donnerstag wunderte sich das Publikum über einen ungewohnt unbeherrschten Norbert Hofer. 24-mal rief er: "Sie haben gelogen", ohne es nachzuweisen. Die Vorwürfe der Spionage waren uralt, bekannt und von einem ÖVP-Innenminister widerlegt. Das wusste der stets gut vorbereitete FPÖ-Kandidat. Dafür sagte Hofer die Unwahrheit, als er zur FPÖ-Anfrage im Parlament, ob denn Österreich auf einen Angriff einer EU-Armee vorbereitet sei, meinte, das sei nur ein Tippfehler. Den gibt es nämlich nicht. FPÖ-Abgeordnete hatten wohl Angst vor der Invasion deutscher Panzer in Kiefersfelden. Alexander Van der Bellen hat übrigens drei Mal mit Lügenvorwürfen gekontert. Insgesamt eine traurige Vorstellung, auch angesichts eines ORF, der wieder die Gebühren erhöhen und gleichzeitig Privat-TV spielen will. Hauptsache, ein Wirbel – da sind die meisten Privatsender schon weiter.

Zustimmung zur Demokratie sinkt

Nun hat dieses Duell das Ansehen der Politik weiter beschädigt, aber unsere Demokratie ist nicht in Gefahr, noch nicht. Aber die Anzeichen dafür, dass immer mehr Menschen auf eine liberale, offene Gesellschaft mit Rechtsstaat und freien Medien verzichten können, mehren sich. Wissenschaftler der Harvard-Universität sprechen gar von deutlichen Warnzeichen, dass auch gefestigte Demokratien in westlichen Industriestaaten sich wieder zurückentwickeln könnten.

Eine Studie darüber soll im Jänner veröffentlicht werden, die New York Times hat kürzlich einige Daten daraus veröffentlicht. Dabei ging es um folgende drei Fragen: Wie wichtig ist es den Bürgern, dass ihr Land demokratisch bleibt? Können sie sich auch ein Militärregime vorstellen? Und werden Parteien, die grundsätzlich gegen das gegenwärtige System auftreten, stärker?

Nun ist in vielen Ländern von Australien über Schweden bis in die USA die Zahl derer, die es für grundsätzlich wichtig halten, in einer Demokratie zu leben, deutlich gefallen, vor allem bei den Jüngeren. So sagte fast die Hälfte der älteren Amerikaner, das Militär dürfe keineswegs die Macht übernehmen, auch wenn die Regierung ganz unfähig wäre. Aber nur 19 Prozent der Jugendlichen lehnten ein Militärregime grundsätzlich ab.

Seit den 1970er-Jahren ist ja die Zahl von demokratischen Staaten deutlich gestiegen, Osteuropa hat sich vom Kommunismus befreit, Lateinamerika von Militärdiktaturen. Aber wenn wie in Polen das Verfassungsgericht unter Druck kommt oder bei uns Journalisten bedroht werden, sind das Anzeichen, die uns Sorgen machen müssen. Die Zerstörung einer Demokratie ist schmerzhaft für fast alle, ihr Wiederaufbau dauert lange.

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