Wer Silberstein holt, erntet Dreck und Hass

Danke, Herr Kern. Diese Wahl kennt einen sicheren Verlierer: die letzten Reste des Vertrauens in Politik.
Josef Votzi

Josef Votzi

Wer Silberstein holt, muss wissen, dass er einen Drecks-Wahlkampf erntet.

von Josef Votzi

über das vergiftete politische Kilma im Finale

"Meine Marke ist Krise" – "Wir müssen aus einem sauberen Kandidaten einen schmutzigen machen". Tal Silberstein fackelt nicht lange, sondern bekämpft seine Gegner gnadenlos. Christian Kern engagierte ihn bereits vor einem Jahr, um sich die Wiederwahl zu sichern. Dass Silberstein nur für Datenanalyse zuständig war, ist spätestens seit Offenlegung seines SPÖ-Vertrags schlicht gelogen. Die ÖVP bleibt scheinheilig, wenn sie sich jetzt zu Recht zwar über Silberstein entrüstet, aber vergessen machen will: Beim Einsatz von Gräuelpropaganda waren auch die Schwarzen nie zimperlich. Sie unterstellten den Grünen zuletzt etwa dummdreist aber erfolgreich, "Haschtrafiken" einführen zu wollen. Aber so brutal wie jetzt trieb es nicht einmal der schwarze Hexenmeister der Intrige, Noch-Klubchef Lopatka.

Wahlkampf ist kein Kindergeburtstag, aber wenn nur die Hälfte dessen stimmt, was jetzt über Silberstein ruchbar wird, dann Gute Nacht, Partei des Humanismus SPÖ. Derart skrupellos wurden noch nie Grenzen überschritten. Aber: Wer Silberstein holt, muss wissen, dass er einen Drecks-Wahlkampf erntet: Schnüffeln im Freundes- und Familienkreis; gezielte Provokationen im Internet und Geldversprechen für Enthüllungen aus dem Privatleben. Wer immer davon kurzfristig profitiert, tut das zu einem unverantwortlich hohen Preis. Denn am Ende gibt es in jedem Fall einen großen Verlierer: Das Vertrauen in die Mechanismen und Personen der Politik. In den USA ist das seit Jahren gang und gäbe. Das Ergebnis sitzt jetzt im Weißen Haus.

Drecks-Wahlkampf macht Leere sichtbar

Der Austrian Trump klopft noch nicht an der Tür. Aber noch nie war das politische Klima derart vergiftet. Erst ging es "nur" um gefälschte Facebook-Seiten. Dann flogen die Lügen der SPÖ um den Einsatz des Schmutzwahlkämpfers auf. Der Dreck wurde zum Bumerang für den Besteller. Jetzt schreit die Kanzlerpartei "Haltet den Dieb" und sucht das erste Opfer zum Täter zu machen.

Es spricht vieles dafür, dass die ÖVP bei der Aufdeckung des Skandals ihre Finger mit im Spiel hat. Wie unsauber die Mittel auch dafür waren, wird sich wohl erst nach der Wahl klären. Aber am Anfang war der Sündenfall, sich auf einen Drecks-Wahlkampf einzulassen. Dass das niemand wehrlos hinnimmt, wird gerade die Silberstein-Fans nicht überraschen.

Der Wahlkampf hat so auch dramatisch sichtbar gemacht, wie blutleer Rot und Schwarz sind. Hier die ÖVP, deren zentrales Programm der Glaube an ein politisches Ausnahmetalent ist. Dort die SPÖ, die erst auch auf einen neuen Heilsbringer setzen will – und als absehbar war, dass er auslässt, ihr Heil einmal mehr in der Dämonisierung des Gegners sucht. Diese Rechnung dürfte diesmal nicht aufgehen. Am 15. Oktober stellt sich für die SPÖ nur eine drängende Frage. Wer ist in der Lage, das zu tun, was ihr der letzte große rote Kanzler, Franz Vranitzky, dieser Tage als Überlebensrezept unverblümt verordnete: Die SPÖ müsse sich "strukturell und ideell" neu erfinden.

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