Wer führt aus der Sackgasse Führerkult?

Der "starke Mann" ist wieder mehrheitsfähig. Die brandgefährliche Demokratie-Müdigkeit ist hausgemacht.
Josef Votzi

Josef Votzi

Der 'starke Mann' ist wieder mehrheitsfähig: Wer führt aus der Sackgasse Führerkult?

von Josef Votzi

über die dramatische Demokratie-Müdigkeit

Einmal im Jahr sind alle österreichischen Botschaften für ein paar Tage kopflos. Die obersten Repräsentanten des Landes in Teheran, Moskau oder Paris finden sich zur Botschafterkonferenz in Wien ein – eine Art Klassentreffen der Spitzendiplomaten verbunden mit jeder Menge ernsthafter Arbeit. Für nachhaltiges Aufsehen sorgte heuer einer der Gast-Referenten. Der vielseitige Politikwissenschaftler Peter Filzmaier malte ein Bild der österreichischen politischen Wirklichkeit, das die Diplomaten – je nach Temperament – total verblüffte oder nachhaltig alarmierte. Kalt ließ der Befund aber keinen der kurzzeitigen Heimkehrer.Eine jüngst erhobene Zahl ist in der Tat besonders auffällig: Vor zehn Jahren liebäugelte jeder zehnte Österreicher mit dem Wunsch nach einem "starken Mann", der in der Politik "aufräumt". 2016 sind es vier Mal so viele, die mit einem autoritären Politiker an der Spitze des Landes gut leben könnten. Unausgesprochene Angst der Botschafter: Müssen auch Sie bald im Ausland für einen Politikertyp à la Orbán, Erdoğan oder Putin geradestehen?

Ein Fall für Hofer und Van der Bellen

Dass die Parteien- und Politikerverdrossenheit wächst, überraschte nur die wenigsten. Dramatisch neu ist, wie überwältigend groß der Frust bereits über das ist, was tagtäglich als Politik geboten wird. Dass zwei Drittel der Nicht-Wähler die dürre Faust gegen "die da oben" ballen, ist erwartbar. Inzwischen sagt aber auch eine Mehrheit jener, die ihre Stimme bei Wahlen (noch) abgibt: "In entscheidenden Fragen, versagt die Politik zumeist". Sie bejahen zu mehr als 60 Prozent auch die resignative Feststellung: "Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Anliegen interessieren sie nicht." Noch tragen die Antworten auf die rasant zunehmende Politikerverdrossenheit Namen wie Frank Stronach oder zuletzt Roland Düringer. Wirklich lebensgefährlich für die Republik ist die massiv steigende Demokratiemüdigkeit.

Ein erster Schritt zum Besseren wäre schon gemacht, wenn die Branche der Volksvertreter das beherzigt, was ihr Peter Filzmaier gestern im KURIER-Interview zu Recht drastisch vorhielt: "Keine Wirtschaftsbranche könnte sich leisten, was die Politik macht: Handyhersteller behaupten auch nicht, beim Kauf des Produkts des Konkurrenten bekäme man schwere Strahlungsschäden. Sie wissen, das würde allen das Geschäft ruinieren. Nur in der Politik ruiniert man durch permanentes gegenseitiges Runtermachen das Image der gesamten Branche."

Der unfreiwillig um mehr als zwei Monate verlängerte Präsidentschafts-Wahlkampf wäre eine gute Gelegenheit, um breit über diese Fragen zu reden. Denn am Ende des erfolgreichen Rufs nach dem "starken Mann" steht ein undemokratischer Führer-Kult, der nur mehr Nationalismus und Isolation beschert und historisch vielfach in die Katastrophe geführt hat. Die Debatte ist ab sofort eröffnet: Herr Hofer, Herr Van der Bellen, was können und wollen Sie in der Hofburg tun, um Österreich aus dieser Sackgasse des Führer-Kults herauszuführen?

Kommentare