Was Kern und Mitterlehner von Alibaba lernen sollten

Der Neustart-Plan der Regierung ist überraschend ambitioniert, bleibt aber auf halbem Wege stehen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Jack Ma ist ein Managerstar mit kommunistischen Wurzeln. Seine Online-Plattform Alibaba kennt in seiner Heimat China jedes Kind. Rund um die Jahrtausendwende mit ein paar Tausend Dollar gegründet , dirigiert Jack Ma heute das größte IT-Unternehmen Chinas mit 35.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 15 Milliarden Dollar. Kein Wunder, dass der drahtige Entrepreneur auf internationalen Foren wie ein Juwel herumgereicht wird. Zuletzt sprach er beim Weltwirtschafts-Forum in Davos Schwerwiegendes wie dieses gelassen aus: "Wir überprüfen alle fünf Jahre unsere Strategie. Vor jeder Entscheidung stellen wir uns eine Frage: Löst das, was wir vorhaben, ein gesellschaftliches Problem? Denn je größer das gesellschaftliche Problem, das wir lösen, desto erfolgreicher sind wir." Und: "Was trägt diese Entscheidung dazu bei, dass die Menschen glücklicher werden?"

Christian Kern und Reinhold Mitterlehner führen keine Firma und im Moment schon gar keine, die eine Fünf-Jahres-Strategie gestattet. Sie haben im besten Fall noch 18 Monate vor sich. Ohne die richtigen Weichenstellungen geht aber auch in der Politik nichts. Der SPÖ-Kanzler war innerlich bereits am Absprung. Was immer ihn letztlich bewogen hat, doch noch mit einem runderneuerten Regierungspakt weiterzumachen – gemessen werden er und Mitterlehner in spätestens eineinhalb Jahren primär daran, ob und bei wem sich die steuerzahlende Kundschaft bei den nächsten Wahlen in Sachen Jobs, Einkommen und Sicherheit besser aufgehoben fühlt. Sprich, frei nach Jack Ma, welches gesellschaftliche Problem die Firma Kern-Mitterlehner bis dahin erfolgreich gelöst hat.

Wer Löhne entlasten will,muss Erben besteuern

Mit dem Versprechen eines Mindestlohns von 1500 Euro (entweder via Sozialpartner oder per Gesetz) zeigt die Regierung unerwartet hohe Ambitionen: Mehr als 300.000 Menschen verdienen für einen Vollzeitjob nicht viel mehr als 1000 Euro netto im Monat. Gleichzeitig können es sich aber viele Klein- und Mittelbetriebe schlicht nicht leisten, zusätzliche Mitarbeiter anzustellen, weil magere Nettoeinkommen– dank aberwitzig hoher Lohnnebenkosten – den Firmen fette Bruttobeträge abverlangen. Aber wer, wenn nicht diese sollen etwa jene 70.000 neuen Jobs schaffen, die Kern & Mitterlehner diese Woche versprochen haben? Die überfällige Umverteilung der Steuerlast von Lohneinkommen auf Vermögen und Erbschaften kommt im Regierungsplan nicht einmal in Spurenelementen vor. Auch wenn die Regierung hier die Courage verlassen hat, die Mitte der Gesellschaft gerät ins Rutschen: Die Schere zwischen geschütztem Sektor und prekären Verhältnissen geht weiter auf. Wenn junge Menschen sich von ihrem Einkommen oft nicht mehr allein eine Mietwohnung leisten und von einer Eigentumswohnung nicht einmal mehr träumen können, dann ist das nur ein weiteres Indiz für eine zunehmend brisante soziale Schieflage. Der Wunsch nach ausgleichender Gerechtigkeit wird so zu der Schlüsselfrage der Politik. Wer hier nicht liefert, dem läuft – frei nach Jack Ma – die Kundschaft bei nächster Gelegenheit in Scharen davon.

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