Türkis-Blau ist das neue Rot-Schwarz

Die Regierung Kurz-Strache bleibt machtpolitisch auf Sicht alternativlos – eine stärkere Opposition aber überfällig.
Josef Votzi

Josef Votzi

Türkis-Blau ist auf Sicht alternativlos, eine stärkere Opposition aber überfällig.

von Josef Votzi

über die Chancen einer GroKo in Österreich

In Regierungskeisen machen dieser Tage sarkastische SMS wie dieses die Runde: "Wenn wir nach Deutschland schauen, dann wäre wohl halt doch das die beste Regierungskoalition gewesen, dieses RotSchwarz: Inhaltlich zwar der kleinste gemeinsame Nenner mit programmierten gegenseitigen Blockaden. Von der Bevölkerung zwar abgelehnt, weil sich alle fast schon ankotzen. Zwar ist die Basis frustriert, weil die Ideale verraten werden. Zwar lösen sich die großen Parteien allmählich auf und Vorsitzende müssen zurück treten bevor sie angelobt wurden. Aber das wichtigste ist halt, dass die Rechten nicht in der Regierung sind..."

Diese Sentenzen spiegeln zum einen wider: Im türkis-blauen Kabinett macht sich nach nicht einmal hundert Tagen erstmals Bunkerstimmung breit. Offenbar fühlt man sich massiv missverstanden und unter Wert geschlagen. Ob dieser Befund nachhaltig ist oder nur der kurzzeitigen Verstimmung einer Regierung entspringt, die erst in die Gänge kommen muss, wird sich noch zeigen.

Diese galligen Sätze haben aber auch eine innere Wahrheit: Schwarz-Rot wäre wohl der Anfang vom endgültigen Ende von VP und SP als Gerade-Noch-Großparteien. Rein rechnerisch ginge sich eine GroKo mit schwarzen Kanzler und rotem Vize auch hierzulande aus. Kern will aber nicht unter Kurz dienen, Kurz weder mit Kern noch der SPÖ regieren. Die vor sich hin taumelnde SPÖ hat gar nicht erst versucht, Kurz mit einem anderen Spitzen-Roten sein Nein zu einer GroKo schwerer zu machen.

Ohne Konkurrenz droht auch VP-FP Erstarrung

Ist Türkis-Blau also alternativlos? Machtpolitisch gesehen führen alle Wege allein in Richtung einer Mitte-Rechts-Koalition. Rot-Blau war mehr taktisches Spielmaterial als eine realpolitische Alternative. Ein Kabinett Kern-Strache hätte Rot endgültig zerrissen. Eine Gemengelage, die dem Land nach Rot-Schwarz mit Türkis-Blau auf Dauer wieder nur eine Option aufzwingt, ist aber politisch ungesund.

Das macht zwei Ereignisse rund um dieses Wochenende spannender als sie sich prima vista ausnehmen. Der Chef der außerparlamentarischen grünen Opposition, Werner Kogler, sucht heute beim "Grünen Zukunftsdialog" nach Rezepten zur Wiederbelebung der Ökos.

Christian Kern startet am Montag die überfällige interne Debatte über den Kurswechsel in der SPÖ. Da wie dort braucht es neben einem Programm-Relaunch auch neues Personal – und einen langen Atem. Denn bei Rot und Grün liegt nach der demütigenden Abwahl vieles in Trümmern.

FPÖ-Chef Strache feiert so uncharmant feixend das Aus der Grünen im Hohen Haus. Neos-Chef Strolz freilich sagt selbstbewusst über seine größte kleine Konkurrenzpartei: " Die Grünen fehlen mir bitterlich." Wie immer man das Wirken von Glawischnig & Co beurteilt, eines ist unbestreitbar: Eine Regierung ohne starke Opposition ist Gift fürs politische Klima. Fehlende Konkurrenz führt auf Dauer zur Erstarrung. Oligopole gedeihen in Wirtschaft und Politik primär zugunsten der Oligarchen. Kunden und Wähler drohen immer durch die Finger zu schauen.

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