Ruhe und Verstand als "Tochter der Zeit"

Wahrheiten und Freundschaften ändern sich in der Politik oft ganz rasant. Da täte ein Pol der Ruhe gut.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

"Ich hoffe sehr, dass in Zukunft die Bedeutung von Andreas Khol nicht mehr die sein wird, die sie bisher gewesen ist." Also sprach Erwin Pröll im Jahr 2007. Prölls Ärger rührte daher, dass der ÖVP-Seniorenchef Khol im Parteivorstand verhindert hatte, dass Karl-Heinz Grasser Minister bleiben konnte. Dafür sei er von Erwin Pröll "abgefotzt" worden, erklärte Andreas Khol Jahre später. Jetzt aber ist alles gut und der Chef der ÖVP-Senioren liegt dem niederösterreichischen Landeshauptmann zu Füßen, wie er dem KURIER erklärte. "Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit", das war eine der Lieblingsformulierungen Khols, offenbar auch die Liebe unter sogenannten Parteifreunden.

Emotionen überall in der Politik, auch oder gerade unter Männern, aber jetzt sollten wir ernst werden. Der Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten hat im Hintergrund längst begonnen. Es ist wichtig, wer an der Spitze des Staates steht, vor allem in Krisenzeiten. Noch wichtiger ist im Moment, wie unser Land die enormen Herausforderungen durch die Flüchtlinge bewältigen wird. Dazu gibt es nur eine Wahrheit: Einfache Lösungen wird es nicht geben. Wer solche verspricht, sagt bewusst die Unwahrheit. Oder er leugnet den Rechtsstaat, zu dem Grenzschutz, aber auch ordentliche Asylverfahren gehören. Also können wir nur darauf setzen, dass es gelingt, in der Türkei menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen. Dort können dann auch Asylverfahren abgehalten werden. Schon in den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob es ein sinnvolles Abkommen mit der Türkei gibt, das müssen die europäischen Regierungen und die EU-Kommission mit Ankara verhandeln.

Sicher ist nur, dass weder die Kandidaten noch der künftige Bundespräsident das Thema Flüchtlinge lösen können. Wer auch immer es im Wahlkampf missbrauchen sollte, wäre das denkbar schlechteste Staatsoberhaupt. Denn wir werden in der Hofburg eine Persönlichkeit brauchen, die Ruhe und Verstand in unsere oft unsinnig aufgeregte Innenpolitik bringt.

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