Per Interrail-Jet in ein besseres Europa

Die 60-Jahr-Europa-Feier in Rom bekam den Segen des Papstes. Das wird nicht reichen. Es fehlt der Mut.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Jedes Land weiß alles besser und will von Europa alles haben, aber nichts geben.

von Dr. Helmut Brandstätter

über ein einiges, friedliches Europa

Zwei deutsche Studenten hatten die Idee, die inzwischen leider wieder ein wenig in Vergessenheit geraten ist: Alle Jugendlichen in der EU sollen zum 18. Geburtstag ein Interrail-Ticket bekommen – #freeinterrail. Bei rund 5,5 Millionen würde das höchstens 2 Milliarden kosten – so viel Geld wurde schon viel dümmer ausgegeben – und sehr viel bringen: Junge Leute, die das bunte, vielseitige, historisch faszinierende und kulturell einzigartige Europa kennenlernen. Unternehmen könnten sich gleich anhängen, die Kreativität junger Menschen nutzen und Praktika anbieten.

Man stelle sich vor, die Regierungschefs wären gestern mit Jugendlichen per Railjet nach Rom gefahren und hätten die Umsetzung dieser Idee verkündet. Das hätte mehr Glaubwürdigkeit gehabt als alle diplomatischen Resolutionen, die nach ausführlichen Streitereien ohnehin weichgespült bis zur Sinnlosigkeit daherkommen. Und das 60 Jahre nach dieser historischen Entscheidung, Kriege auf dem ewigen Schlachtfeld Europa endlich ein für alle Mal unmöglich zu machen.

Aber es regiert wieder der Nationalismus, und zwar in einer schlimmen Form: Jedes Land weiß alles besser und will von Europa alles haben, aber nichts geben. Dieser Ungeist weht durch fast alle Staatskanzleien, mal stärker, mal weniger stark. Und es kann bald viel schlimmer kommen. Denn geradezu symbolisch ist Marie Le Pen gleichzeitig mit den Europa-Feiern in Moskau, wo sie als "große Realistin" gefeiert wird. Wofür? Weil sie die Rüstungsausgaben Frankreichs fast verdoppeln will? Um dann mit den Waffen was zu machen?

Moskaus Ziel: Liberale Demokratien abwerten

Staatspräsident Wladimir Putin musste – jedenfalls offiziell – seine Lieblingsfranzösin Le Pen enttäuschen: Er werde sich nicht in die Wahlen einmischen. Alleine, dass Putin das betonen musste, wirkte sonderbar. Noch dazu, wo die Finanzierung des Front National über russische Banken nachgewiesen wurde und Berichte über die Einmischung der Russen in den US-Wahlkampf immer konkreter werden. Ein amerikanischer Abgeordneter brachte es im Zusammenhang mit aktuellen Untersuchungen im Kongress auf den Punkt: Putin will nicht unbedingt Regierungen bestimmen, er will aber auf jeden Fall möglichst viel Unruhe in die liberalen Demokratien bringen, um diese zu destabilisieren. Putins Russland ist unser Vorbild, hat Frau Le Pen einmal gesagt. Also das Regime, wo oppositionelle Politiker und Journalisten immer wieder ein unnatürlicher Tod ereilt und die Wirtschaft traurig dahindümpelt.

Wer wirklich noch an ein einiges, friedliches und freies Europa glaubt, hätte es so leicht. Man muss nur aufzeigen, wo uns Le Pen und ihresgleichen hinführen wollen und die Vision der Gründerväter dagegenhalten. Ja, da ist vieles schiefgelaufen, aber die Idee ist so frisch und wunderbar wie 1957. Es leben ja viele Junge dieses Europa ganz selbstverständlich. Mit einem Interrail-Ticket wäre es noch einfacher und auch freudvoller.

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