„Abgesandelt“ ist nur dieser Wahlkampf

Der schrille Schaukampf in Rot und Schwarz nervt gewaltig. Noch mehr davon ist pure Wählervertreibung.
Josef Votzi

Josef Votzi

Der schrille Schaukampf in Rot und Schwarz nervt gewaltig. Noch mehr davon ist pure Wählervertreibung

von Josef Votzi

über den Wahlkampf

Die ÖVP will den „12-Stunden-Arbeitstag“, wettert der rote Parteisekretär: „Länger arbeiten für weniger Geld.“ – „Unter mir wird das Frauenpensionsalter nicht angetastet“, proklamiert der SPÖ-Chef.

„Lügenkanzler“ bläst die VP-Innenministerin zum Gegenangriff. Unter seiner Führung ist Österreichabgesandelt“, tönt der schwarze Wirtschaftsbund-Chef.

Neun Parteien werden bei der Wahl in fünf Wochen am Stimmzettel stehen. Ausgerechnet jene zwei, die gemeinsam regierten, liefern sich einen Kampf bis aufs Messer.

Szenen einer Koalitions-Ehe, die heillos zerrüttet und nicht mehr zu kitten ist?

Jeder, der politisch bis zwei zählen kann, weiß: Auf fünf Jahre Rot-Schwarz werden wohl fünf weitere Jahre in den gleichen Farben folgen. Der VP-Chef wird zwar bis zuletzt glauben machen, dass Schwarz-Rot nur noch eine Frage von Tagen ist. Das mag seine Funktionäre bewegen, bis zuletzt auf Hochtouren zu laufen.

Die SPÖ-Spitzen geben sich aber bisher als die besseren Schaukämpfer. Wahlkampfchef Norbert Darabos nutzt ohne Skrupel jede Blöße im schwarzen Lager. Mit dem getrommelten Nein zu Mehr- und Länger-Arbeiten ist er dabei, aus der drögen Wahlbewegung bei den siegessicheren Seinen einen Wettlauf um den Machterhalt zu machen. Denn die Wahl 2013 gewinnt der, der es schafft, seine eigenen Anhänger am 29. September auch zu den Wahl-Urnen zu bringen. Die Tonlage zwischen Rot und Schwarz droht daher noch schriller zu werden. Ab morgen geht der Wahlkampf auf allen Medien-Kanälen in die Intensivphase. Mit 25 unterschiedlichen Duell-Paarungen warten allein die TV-Sender auf (siehe Seite 4).

Karten auf den Tisch statt Gekeife

„Man wird mit dem Porzellan, das jetzt zerschlagen wird, nach geschlagener Wahl den Tisch decken müssen“, mahnen manche Regierungspolitiker zu Recht ein. Das gilt längst nicht mehr nur für die Elefanten im rot-schwarzen Porzellanladen, die hinterher wieder gute Miene nach dem bösen Spiel machen sollen.

Das schrille Gekeife der Koalitionspartner a. D. strapaziert unser aller Nerven. Die meisten Wähler haben Schmieren-Komödien à la „12-Stunden-Tag“, „Frauen-Ausbeuter“, „Lügenkanzler “ und „Absandler“, die sich als Wahlkampf tarnen, total satt. Drei Viertel schalten innerlich auf lautlos, wenn heimischer Polit-Sprech erschallt, belegen jüngste Umfragen. Die Regisseure des schlichten und schlechten Schauspiels hängen dem Irrglauben nach: Je lauter sie sich zanken, desto weniger Aufmerksamkeit bleibt für die (tatsächlichen) Oppositionsparteien.

Die ÖVP ist sozialer, als sie jetzt tut, die SPÖ wirtschaftsfreundlicher, als sie nun vorgibt.

Im Jahr fünf nach der größten Weltwirtschaftskrise seit 1945 wird ab 30. September mehr denn je beherzter Pragmatismus das Land regieren müssen. Je rascher und deutlicher Rot und Schwarz bald sagen, was sie in den fünf Jahren nach der Wahl tatsächlich gemeinsam vorhaben, desto mehr Wähler werden es ihnen danken.

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