Leere Rituale lähmen Demokratie zu Tode

Die schwarze Lehrergewerkschaft und die zerstrittenen Genossen haben mehr gemeinsam, als sie wollen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Die schwarze Lehrergewerkschaft und die zerstrittenen Roten haben mehr gemeinsam als sie wollen.

von Josef Votzi

über leere Politik-Rituale

Drei Szenen des österreichischen Polit-Betriebs aus dieser Woche; dreimal das gleiche Spiel.

– Szene 1: Die Beamtengewerkschaft mietet sich in der Wiener Stadthalle ein. Tausend Wiener Pflichtschullehrer werden auf Proteste bis hin zum Streik gegen die Entlassung in die Schulautonomie eingestimmt. Sie fürchten lautstark ein Sparpaket und – unausgesprochen – weniger individuelle Freiheiten. Das Stück, das hier geboten wird, gehorcht dem ewig gleichen Plot der Pradler Ritterspiele: Der x-te Schulminister streckt keck den Kopf raus und ruft die Schulrevolution aus – und droht einmal mehr, deren erstes und einziges Opfer zu werden.

– Szene 2: Die gegenseitige Streichorgie zwischen dem Häupl- und Ludwiglager am SPÖ-Parteitag. Nach dem Scheinfrieden ist nun endgültig offener Krieg angesagt. Kein Wunder, denn alle Streitfragen wurden weiter schubladisiert: Wer Häupl beerbt und ob Rot-Blau ein No-Go bleibt. Ließe Christian Kern heute im Parteipräsidium abstimmen, gäbe es eine satte Mehrheit für Rot-Blau. Allein Häupl, stemmt sich noch dagegen. Nach dem Parteitag ist vorm finalen Shootout: Setzt sich auch in Wien die Rot-Blau-Fraktion durch? Für die SPÖ gilt nach dem Desaster-Parteitag frei nach Marcel Reich-Ranicki: Und so sehen wir betroffen, der Vorhang zu und alle Fragen offen.

– Szene 3 geht Montag (nach Redaktionsschluss für diesen Text) über die Bühne: Das Pfeifkonzert für Werner Faymann im Vorjahr war die Ausnahme. Es wäre eine Sensation, wenn der Mai-Aufmarsch am Wiener Rathausplatz heuer anders abliefe als all die Jahre davor: Als herzerwärmender Feiertag für ein paar Zehntausend treue Genossen, für den großen Rest des Landes als ein Ritual, das zwischen verstaubt museal und verdient sympathisch mäandert. Eines ist gewiss: Auch die einst ob ihrer Stärke stolze Wiener SPÖ ist heute ein Potemkinsches Dorf.

Drei Szenen, ein Befund: Die Bühnen-Show lebt; die Politik tritt auf der Stelle. Die eindrucksvolle GameChanger-Konferenz diese Woche hat gezeigt, dass die digitale Welt tausend Chancen böte, um aus dem lähmenden Und-ewig-grüßt-das-Murmeltier-Ritual auszubrechen.

Warum durchbrechen die Bildungsreformer Hammerschmid & Mahrer nicht den Teufelskreis HurraSchulreform/Streikdrohung/WeiterStillstand und laden die Tausenden skeptischen Lehrer selber zum Dialog in die Wiener Stadthalle? Warum nutzen Parteien wie die SPÖ soziale Medien wie Facebook & Co nur zur Lagerbildung bei Fraktionskämpfen und nicht zum konstruktiven Dialog zwischen Basis und Parteiführung? Die weitere gegenseitige Blockade mit möglichst großen Hinkelsteinen ist Steinzeit-Politik und fördert nur den steinzeitlichen Ruf nach „starken Männern“ wie Trump, Orbán oder Erdoğan.

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