Jeder Zehnte joblos – und keinen kratzt es?

Die schleichende Zunahme der Arbeitslosigkeit verlangt dringend nach mehr als resignativem Schulterzucken.
Josef Votzi

Josef Votzi

Jeder Zehnte joblos – und keinen kratzt es?

von Josef Votzi

Arbeitslosigkeit

In zehn Tagen ist es wieder so weit. Pünktlich zum Monatsersten verkündet der Sozialminister die neuesten Arbeitslosenzahlen: Soviel steht schon heute fest: Sie werden einmal mehr höher sein. 405.470 Menschen waren es per Ende Mai, Tendenz auf Zwei-Jahressicht weiter steigend. Die Nationalbank rechnet frühestens 2018 mit einer Trendumkehr.

Bei näherem Hinsehen dramatisch: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist dabei sich zu verdoppeln. Schon fast jeder Fünfte sucht länger als ein Jahr einen neuen Job. Auffällig auch die starke Zunahme am Beginn und Ende der Arbeitskarriere: In der Generationen 50 & 18 plus steigt die Joblos-Rate am stärksten an.

Stell dir vor, es hat bereits jeder zehnte Jugendliche keinen Job, aber keinen kratzt es? Hinter den nackten Zahlen stehen Hunderttausende individuelle Geschichten. Für die Betroffenen doppelt niederschmetternd: Immer mehr fliegen aus dem Arbeitsleben; aber immer weniger derer, die noch Arbeit haben, scheint das zu kümmern. Ein paar davon hat mein Kollege Uwe Mauch für eine große KURIER-Reportage aufgeschrieben (siehe Seiten 18, 19).

Solidarität durch Verzicht und Teilen?

Die schleichende Zunahme der Arbeitslosigkeit bleibt aber ein wachsender Skandal; das zunehmend resignative Schulterzucken ein gefährliches Ärgernis.

Spanien und Griechenland leben vor: Die massiv steigende Jugendarbeitslosigkeit wird ökonomisch noch von privater Solidarität in den Familien abgefedert. Großeltern, Eltern und Verwandte fangen die "Generation Job- und hoffnungslos" auf.

Die politischen Folgen lassen sich so auf Dauer nicht aufhalten. Das Parteienspektrum franst links und rechts noch weiter zulasten einer vernünftigen Mitte aus.

Auch wenn es vier Tage vor dem Brexit-Referendum eine Mehrheit der Briten glaubt: Im grenzenlosen Europa kann es keine Insel-Lösungen geben. An einem stabileren Großklima für Wachstum und Beschäftigung kann auch der neue Kanzler nur gemeinsam mit seinen EU-Ratskollegen arbeiten. Für ein besseres Binnenklima können die nationalen Regierungen sehr wohl sorgen.

Rot-Schwarz will nach dem propagierten Neustart nun Anfang Juli erstmals konkret guten Willen signalisieren: mit ein paar schnell umsetzbaren Maßnahmen zur Entbürokratisierung. Im Herbst soll dann bei einer Regierungsklausur endlich mehr kommen. Mit dem Wunsch nach einer Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich wird allein kein Staat zu machen sein. Einige alte Krisenrezepte greifen nicht mehr, für andere fehlt das Geld. Lohnverzicht und sozial gestaffelte Beiträge zu Sparprogrammen sind in Unternehmen längst Alltag. Wäre es nicht an der Zeit auch in Sachen Mangelware Arbeit über neue Formen der Solidarität durch Teilen oder Verzicht nachzudenken? Es gibt wenige Themen wo die Forderung nach einem nationaler Schulterschluss berechtigter wäre. Immer mehr Menschen ohne Job verlangen nach immer mehr neuen Ideen – für Jobs, Jobs, Jobs.

Kommentare