"Ihr macht aus mir einen richtigen Kasperl"

Der SPD-Kandidat Martin Schulz beschreibt das Dilemma von Politikern mit zu vielen falschen Beratern.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Man braucht keine Umfragen, um zu erkennen, dass wachsende Teile der Bevölkerung Unsicherheit spüren.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Daten in der Politik

Eine Reportage des SPIEGEL gibt Einsicht in den verkorksten Wahlkampf von SPD-Chef Martin Schulz. Zunächst von seiner Partei und den Medien in den Himmel gehoben lieferte er das schlechteste Ergebnis der SPD seit dem Krieg. Schulz hätte schneller verstehen müssen, dass allzu viele Berater, Bedenken- und Interessensträger aus dem gewandten Europapolitiker Schulz – ja eben, einen Kasperl machten.

Bei Christian Kern ist es noch schlimmer, er hat sich das Unglück selbst ins Haus geholt hat. Er wollte Tal Silberstein im Wahlkampf haben, obwohl er wusste, dass dessen Ruf bedenklich war, dass "dirty campaigning" für ihn dazugehörte. Silberstein könne so gut Daten lesen, war die große Hoffnung. Der Einsatz von Daten in der Politik ist nicht neu. Karl Blecha hat schon Ende der 1960er-Jahre damit gearbeitet und Bruno Kreisky massiv geholfen. Daten können wichtig sein, um bei umstrittenen Themen die Stimmung in der Bevölkerung abzuschätzen. Aber komplizierte Umfragen und die darauf folgende Datenfuchserei zittriger Berater können niemals die Politik ersetzen. Klare Überzeugungen und menschliches Gespür sollten immer wichtiger sein.

Man braucht keine Umfragen, um zu erkennen, dass wachsende Teile der Bevölkerung Unsicherheit spüren – und Antworten wollen. Und zwar von Führungsfiguren, die etwas zu sagen haben, nicht von bis zur Unkenntlichkeit gespinnten Kandidaten auf schlechten Plakaten.

Christian Kern hätte sich nur einen einfachen Satz aufschreiben müssen: Ich mache, was ich für richtig halte, nicht was mir Berater mit ihren unterschiedlichen Interessen einreden wollen. Dann wäre Silberstein um eine halbe Million ärmer und Kern um eine Chance reicher.

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