Grasser: Täter oder Opfer, das ist die Frage
Grasser wurde auch Opfer seiner "Freunde", die sich mit seiner Nähe wichtig und ihre Taschen voll machten.
Das Verfahren gegen Grasser und Co. bietet einigen Anwälten prächtige Profilierungsmöglichkeiten. Grasser-Advokat Manfred Ainedter verpatzte seine Chance in der ZIB2, als er erklärte, er wolle den "Prozess abwürgen". Das wird ihm nicht gelingen. Hinauszögern kann er ihn, aber dann soll er sich nicht mehr beschweren, dass bei Grasser alles so lange dauert.
Grasser selbst gibt nur solchen Zeitungen Interviews, die keine ordentlichen Fragen stellen. Da kann er sein Opfer-Image pflegen, ohne erklären zu müssen, warum er so viel Geld in Stiftungen und andere Gesellschaften rund um den ganzen Erdball schicken ließ.
Irgendwie ist Grasser ja ein Opfer, weil er so jung, fesch und erfolgreich war. Da wurde er natürlich ausgenützt, nicht zuletzt von der ÖVP, die im Jahr 2002 ihren Wahlsieg auch dem beliebten Finanzminister verdankte. Bei der Homepage-Affäre im Jahr 2003, als die Industriellenvereinigung viel Geld an einen Verein zahlte, damit der Minister noch populärer werde, hätte er natürlich zurücktreten müssen. Aus heutiger Sicht wäre das für ihn ein Glück gewesen, weil er sich damals noch ein erfolgreiches Berufsleben hätte aufbauen können. Und Grasser wurde auch Opfer seiner "Freunde", die sich mit seiner Nähe wichtig und ihre Taschen voll machten.
Anwalt Ainedter machte im ORF seine Taktik deutlich: Ja, vieles biete eine üble Optik, aber es gäbe keine Beweise, dass Grasser Geld genommen habe. Das zu beweisen, wird Aufgabe der Staatsanwälte sein. Ein Argument bleibt Grasser: Soll er wirklich für ein paar Millionen die Chance auf Super-Jobs, etwa in Londoner Investmentbanken, verspielt haben? Wer weiß. Die Politik verdirbt manchmal den Charakter – oder: Sie legt ihn offen.
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