Europa blicket stumm um die Welt herum

Wir beschauen mit großem Interesse unseren Nabel. Nicht nur in unserer Provinz, auch in weiten Teilen Europas.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Vereinigte Staaten von Europa – hoffentlich ist es nicht zu spät, wenn wir einmal ernsthaft darüber reden.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Nabelbeschau

Die ganze Welt schaut am Sonntag nach Graz, und nach Eisenstadt natürlich. Landtagswahlen in Österreich, was könnte wichtiger sein, wenn sich die Politik seit Wochen nur damit beschäftigt, beziehungsweise davor zittert, dass aufgebrachte – oder eben auch nur ängstliche Wähler – auf die fällige Abschaffung des Bankgeheimnisses oder die Aufnahme von Flüchtlingen grantig reagieren könnten. Bei Landtagswahlen sollte es um Themen des Landes gehen, aber wenn die populistische Welle walzt, die ja nicht einmal mehrheitsfähig ist, dann werfen auch Landesfürsten kleine Schatten. Wobei der Steirer Franz Voves ein Thema angesprochen hat, das zwar auch nicht im Renaissance-Gebäude des Grazer Landhauses entschieden wird, aber von grundsätzlicher Bedeutung ist. Im Interview mit PULS 4 erklärte der SPÖ-Landeshauptmann: "Ich bin für die Vereinigten Staaten von Europa."

Diesen Satz hätten die Angstbeißer aufnehmen können, darüber sollten wir streiten, ob und wie die Menschen in Europa weiter nach der sogenannten Merkel-Formel leben können: "Wir haben sieben Prozent der Weltbevölkerung, 25 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und 50 Prozent der Sozialausgaben." Bei weiter steigender Arbeitslosigkeit wird dieses System an die Wand fahren, prophezeit der Sozialdemokrat.

Wer da an nationale Lösung glaubt, soll dringend ein paar Besuche im Ausland machen. In China findet gerade ein System- und Menschenversuch statt, dessen Ausgang niemand kennt. Jede Woche kommt ein kommunistischer Milliardär dazu, die Hälfte der weltweit 70 Milliardärinnen sind Chinesinnen, gleichzeitig arbeiten Millionen Chinesen unter Umständen wie Ziegelarbeiter zur Jahrhundertwende in Wien. Aber China ist nicht mehr eine verlängerte Werkbank, sondern Forschungszentrale westlicher Unternehmen, also direkter Konkurrent.

Schulden finanzieren – noch – das Sozialsystem

In den USA ist zwar zuletzt das Wachstum zurückgegangen, aber die billige Energie hilft und die entscheidenden Innovationen kommen aus dem Silicon Valley. Wir stehen noch immer fassungslos vor dem Phänomen, dass US-Konzerne den Reichtum der Zukunft, nämlich unsere Daten, hemmungslos absaugen und Google, Amazon und Co. dabei sind, Weltmonopole aufzubauen. Die Russen versuchen jetzt, auch ein Handy zu bauen und das Internet neu zu erfinden, da sieht man, wie dumm Nationalismus macht.

Und Europa? Wir reden von einer EU-Armee und rüsten die verschuldeten Griechen weiter auf, als ob dort ein Angriff bevorstünde. Wir ballen die Faust gegen Google, wehren uns aber nicht, wir lassen uns von den USA ausspionieren und brauchen gleichzeitig amerikanische Staatsanwälte, damit sie endlich die Korruption in der FIFA auffliegen lassen. Und wir freuen uns über unsere Sozialleistungen, die wir noch auf Pump finanzieren. Vereinigte Staaten von Europa – hoffentlich ist es nicht zu spät, wenn wir ernsthaft darüber reden werden.

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