Die Wahl wird auf der Couch entschieden

Hofburgrennen 2016: Beim Marathon im TV, Print und Internet zählten Lockerheit und Authentizität.
Josef Votzi

Josef Votzi

Diese Wahl wird auf der Couch entschieden

von Josef Votzi

über die Schlüsselrolle der Medien bei der Hofburgwahl 2016

Professionelle Polit-Beobachter waren sich schon nach dem Duell-Marathon einig: "Siegerin" auf den Bildschirmen der Nation ist diesmal jene Kandidatin, für die Politik und Wahlkampf totales Neuland waren. Mit klaren Botschaften suchte Irmgard Griss auch bei der finalen "Elefanten"-Runde zu punkten: Als Antwort auf zunehmende "Polarisierung" und drohenden "Lagerwahlkampf zwischen Blau und Grün. Das ist das letzte, was Österreich jetzt brauchen kann". Das war Agenda-Setting fürs Politiker-Lehrbuch. Für die KURIER-Jury positionierte sich Griss so einmal mehr als Nummer eins: "Wach und frisch". Die frühere Richterin hat die TV-Arena – ob auf Puls4, ATV oder im ORF – alles in allem am meisten zu ihren Gunsten genutzt. Und damit ihr Hauptmanko wettgemacht, weniger Geld als alle anderen für einen klassischen Wahlkampf mit Plakaten und Inseraten zu haben.

Selbstverleugner & Elefant im Porzellanladen

Wer abseits von Griss am TV-Schirm zudem am meisten brillierte? Da bleibt einmal als offene Frage: Hofer vor Van der Bellen oder doch vice versa? Bemüht staatstragend der Ex-Grünen-Chef - aber bis an die Grenze der Selbstverleugnung. ORF-Frage: Was würde er als Präsident zum Asylgesetz sagen? "Ich glaube nicht, dass man zu allem etwa sagen muss." Freundlich im Ton, aber hartherzig in der Sache Norbert Hofer. ORF-Frage: Was würde er als Präsident angesichts 500 Flüchtlingen, die neuerlich im Mittelmeer ertrunken sind, sagen? "Merkel hat das mit verursacht." Einig waren sich zu Recht bislang alle Polit-Analysten: Andreas Khol lief, wann immer er einer Kamera oder eines Mikrofons ansichtig wurde, zunehmend zu alter Form auf: Intellektuell und rhetorisch hochspannend, bei Sympathie aber mit reichlich Luft nach oben. Die "Elefanten"-Runde nahm er zu wörtlich und benahm sich zeitweilig wie ein Dickhäuter im Porzellanladen: Aggressiv ausgerechnet gegenüber den beiden einzigen Frauen am Tisch, Moderatorin Ingrid Thurnher ("Lernen Sie Verfassung") und seiner größten Konkurrentin, Irmgard Griss.

Kein Highlight im Finale der Superlative

Rudolf Hundstorfer brachte einmal mehr seine Atouts, Leutseligkeit und Kraft aus der Ruhe, nicht von der Straße auf den Bildschirm. Und landete den unfreiwilligen Lacher des Abends bei Mitdiskutanten und Publikum: Er habe als Minister viele Jobs neu besetzen gehabt, aber "ich habe von niemanden das Parteibuch gewusst". Die "Elefanten"-Runde stand zwar am Ende, war aber nicht das Highlight eines intensiven TV-Wahlkampfs. Wer immer am Sonntag zur Nr. 1 und 2 für die Stichwahl ausgerufen wird, eines steht bereits fest: Noch nie blieben die Hauptplätze und großen Säle des Landes in einem Wahlkampf so menschenleer. Noch nie spielten Medien – von TV über Print bis Internet – bei einer politischen Entscheidung eine so große Rolle: Die Hofburgwahl 2016 wurde im Wohnzimmer entschieden.

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