Die Grünen sind 30 – und rotieren am Stand

Selbstkritik statt Selbstzufriedenheit ist angesagt: Warum geben heute Rechtspopulisten den Ton an?
Josef Votzi

Josef Votzi

Grüne sind 30 und rotieren am Stand. Den Ton geben Rechtspopulisten an.

von Josef Votzi

über den Jahrestag der Parteigründung

Erst machten sie gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf mobil. Dann stellten sie sich dem Bau eines Donaukraftwerks in der Au von Hainburg in den Weg. An der Wiege der grünen Bewegung stand das Verhindern. Viele Politiker-Verdrossene der 80er Jahren, die mehr als Wutbürger sein wollten, fanden hier eine neue politische Heimat. Die anderen suchten ihr Glück bei Jörg Haider als er 1986 die halb tote FPÖ übernahm.

Vor nunmehr dreißig Jahren schafften es auch die Grünen mit 4,8 Prozent erstmals ins Hohe Haus. Am Papier eine Partei, in Wahrheit ein Haufen von Einzelkämpfern. Die Folge waren Flügelkämpfe, Parteiaustritte und Endlossitzungen – die Ära der "Eisenhintern". Die erste grüne Klubobfrau Freda Meissner-Blau warf schon nach zwei Jahren entnervt das Handtuch.

Die Ära Eva Glawischnig geht bereits ins neunte Jahr und mutet vergleichsweise wie eine One-Woman-Show an. Verbliebene Einzelkämpfer wie Peter Pilz werden mehr geduldet als gezielt gehegt. Ab und an zudem von sich reden macht nur Rot-Grün in Wien. Dabei wird bereits in drei Ländern Schwarz-Grün regiert. Die grünen Bündnisse mit der ÖVP in Salzburg, Tirol und Vorarlberg agieren derart unauffällig, dass sie österreichweit unter der Wahrnehmungsschwelle bleiben. Aus Sicht einer Partei, die für nachhaltiges Wachstum steht, ein schwerer Fehler.

" Moralisieren" und "Besserwissergestus"Statt Selbstzufriedenheit stünde den Grünen zum 30er Selbstkritik an. Beginnend mit der Frage, warum heute die Rechtspopulisten Themen und Ton vorgeben und die grüne Bewegung vornehmlich am Stand rotiert. Die Blauen, die 1986 zeitgleich mit den Grünen mit nicht einmal fünf Prozent der Wählerstimmen neu durch gestartet sind, überspringen in Umfragen bereits die 30-Prozent-Marke. Bei Grün reicht es für nicht einmal die Hälfte.

"Wir waren noch nie so stark und trotzdem haben viele das Gefühl, dass wenig oder nichts weitergeht", resümiert einer der Abgeordneten der ersten Stunde, Andreas Wabl, im KURIER-Gespräch (s. Seite 6): "Ich glaube, dass die Partei noch geschlossener und härter auftreten und sich mit weniger Themen mehr Gehör verschaffen könnten." Sein Rezept: "Wenn es den Grünen gelingt, der rein emotionalen Bauchpolitik eine vernünftige Politik entgegenzusetzen, die das Herz bewegt, dann schaffen sie 20 Prozent."

Radikal ins Gericht mit seiner eigenen Partei ging jüngst auch der Gastredner, den sich die Grünen – aus ganz anderen Gründen – für ihre Feier zum 30er morgen Mittag ins Parlament geladen haben – als Vorbild für den endgültigen Durchbruch zur Regierungsmacht: Winfried Kretschmann, Exponent des bürgerlichen Flügels, regiert als erster grüner Ministerpräsident(=Landeshauptmann) in Baden-Württemberg. Angesichts des Aufstiegs der rechtspopulistischen AfD mahnte Kretschmann jüngst in der Wochenzeitung Die Zeit bei seinen Grünen dringend mehr Selbstkritik ein: "Schluss mit dem Moralisieren". Die Grünen müssten ihre Politik zuallererst "verständlich in der Sprache" erklären – und "ohne Besserwisser-Gestus".

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