Das Ende einer Ära – der Bund wird stärker

Erwin Pröll, starker Mann in Niederösterreich und der ÖVP, verlässt die Politik. Mit Folgen für das ganze Land.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Erwin Pröll, starker Mann in Niederösterreich und der ÖVP, verlässt die Politik. Mit Folgen für das ganze Land.

von Dr. Helmut Brandstätter

über das Ende der Ära Pröll

Man müsse wissen, wann Zeit ist zu gehen: Ein einfacher, weiser Satz, den Erwin Pröll gestern beim Rücktritt gesagt hat. Aber wie wir aus der Politik wissen, ist die Umsetzung dieser Erkenntnis oft schwierig. Nicht nur Politiker, aber gerade auch sie, verschmelzen in der Eigenwahrnehmung gerne mit ihrem Amt, und je länger die Regierungszeit dauert, umso weniger wird auf Kritiker gehört, soweit sie überhaupt noch im Kreise der Macht zugelassen werden.

Erwin Pröll hat sich in Niederösterreich ein Machtsystem aufgebaut, das seinesgleichen suchte, mit demokratischen Mitteln. Drei Mal schaffte er die absolute Mehrheit: Durch perfekte Organisation, ein Arbeitspensum, das nur wenige durchhalten würden, und eine Autorität, die auch in Brutalität umschlagen konnte.

Als im Herbst 1989 der Kommunismus zusammenbrach und der Eiserne Vorhang fiel, war Niederösterreich eine benachteiligte Grenzregion. Ab 1992 im Amt des Landeshauptmanns nützte Pröll die Chance der Öffnung, die Möglichkeiten Österreichs nach dem EU-Beitritt im Jahr 1995 erst recht. Modernisierung des Landes, Ansiedelung von Betrieben und Dorferneuerung standen auf seinem Programm. Diesbezügliche Erfolge gestand gestern auch die Opposition zu. Pröll holte international führende Forschungsinstitute wie das IST in Klosterneuburg und versammelte viele Künstler um sich. Seit Jahren werden in Grafenegg Konzerte mit Weltstars veranstaltet, anerkannte Theaterfestivals und Museen gibt es in ganz Niederösterreich. Viele Künstler, die links fühlten, tauchten in Prölls Umgebung auf.

Machtverschiebung Richtung Bundespolitik

Erwin Pröll war auch deshalb so stark, weil andere schwach waren. Als er mitten im laufenden Präsidentschaftswahlkampf Innenministerin Mikl-Leitner aus der Regierung abzog und Wolfgang Sobotka nach Wien schickte, war das auch eine Machtdemonstration. Vizekanzler Mitterlehner hätte sich wehren müssen. Vielleicht sind es diese innerparteilichen Strukturen, wonach sich starke Landeshauptleute einen Parteichef in Wien halten, die Pröll stets abhielten, in die Bundespolitik zu gehen. Gelegenheiten hätte es gegeben, die ÖVP hat ja in den letzten Jahrzehnten oft den Parteichef gewechselt. Aber Pröll wusste oder spürte, dass er besser in sein Land passte. Hier war er ständig unterwegs und wusste alles über seine Gemeinden. Auch dieses Wissen war Macht, ob im Wahlkampf, davor oder danach, nichts in Niederösterreich überließ er dem Zufall.

Seine wahrscheinliche Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner wird keine absolute Mehrheit erreichen, das wird überall schwieriger, auch derart lange Amtszeiten werden selten werden. Es könnte sich weiter Macht von den Ländern in den Bund verschieben. Die Wiener SPÖ hat ja schon bei der Bestellung des neuen Parteichefs nicht mehr die führende Rolle gespielt. Kanzler Kern hat zuletzt von einem neuen Anlauf für eine Reform des Bundesstaates gesprochen. Das Thema wird uns sicher beschäftigen.

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