Bei 2 aus 6 gibt es nur eine Gewissheit
Heute in drei Wochen haben mehr als sechs Millionen Wahlberechtigte die erste Gelegenheit, ihr Votum abzugeben. Wer sich dieser Tage umhört, gewinnt nicht den Eindruck, dass die Frage, wer demnächst in der Hofburg sitzt, die Massen bewegt. In politischen Zirkeln werden zwar bereits laufend Wetten abgeschlossen, wer als erster und zweiter den Zieleinlauf am 24. April schafft. Fast die Hälfte der Wähler ist noch unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben. Das kann diesmal nicht zuvorderst am Angebot liegen. Am Stimmzettel ist sowohl für Parteianhänger fast aller Lager als auch für Politikerverdrossene etwas mit dabei. Das ist bei Präsidentenwahlen eine Premiere, wo selbst größere Parteien wiederholt – mangels attraktiver Kandidaten oder Geld – ihre Anhänger ratlos sich selbst überlassen haben. Allein Wähler bis Mitte 40 könnten mit dem Angebot hadern. In der Liste der Kandidaten findet sich kein einziger Gleichaltriger. Fast alle Hofburg-Anwärter sind im Rentenalter oder tatsächlich in Pension. Eine überdimensionierte Vorleistung auf die Aura des Staatsamts, die auch den Wahlkampf mit zu viel Gravitas beschwert?
Die nebulose Stimmungslage hat einen tiefsitzenderen Grund. Die Präsidentenwahl 2016 ist frei nach Andreas Khol eine Tochter der Zeit: Es gibt so gut wie keine Gewissheiten mehr. Sechs Kandidaten und davon fünf mit der Chance auf ein zweistelliges Prozent-Ergebnis ist nicht nur eine einmalig große Zahl an ernst zu nehmenden Bewerbern. Schon vor dem 1. Durchgang am 24.April steht damit fest: Es muss am 22. Mai einen 2. Wahlgang geben.
Am 24.April gilt Lotto-Motto: Alles ist möglich
Einmalig ist auch, dass schon plus/minus 20 Prozent der Stimmen reichen, um in die Stichwahl zu kommen. Damit könnte selbst ein ehernes Gesetz wanken, das für jeden heimischen Wahlgang der letzten drei Jahrzehnte galt: Das Gros der Wähler bevorzugt Mitte-rechts; Rot-grün hat österreichweit keine Mehrheit. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 sind derzeit so gut wie alle politischen Paarläufe fürs Finale möglich: Auch der bislang unmögliche Fall, dass sich am 22. Mai mit Alexander van der Bellen und Rudolf Hundstorfer ein Roter und Grüner um die Nachfolge von Heinz Fischer duellieren. Denn bei 6 Kandidaten können es die zwei Bestplazierten auch dann in die Stichwahl schaffen, wenn sie am 24. April gemeinsam deutlich weniger als 50 Prozent auf sich vereinen.Möglich ist aber auch ein Waterloo für die ganze rot-schwarze Regierung – dass sowohl Andreas Khol als auch Rudolf Hundstorfer nicht einmal in die Stichwahl kommen. Oder, etwas unwahrscheinlicher, eine Abfuhr für Rot-Schwarz und Blau – wenn es in der zweiten Runde Van der Bellen gegen Griss heißt: Die Heldin vieler Politikerverdrossenen gegen den Profi-Politiker, der schon als Grünen-Chef erfolgreich den Nimbus pflegte, nicht wirklich dazuzugehören.
Bei der Hofburgwahl 2016 gibt es daher nur eine Gewissheit: Alles ist möglich – und das ist gut so.
Es ist vielleicht sogar das Beste, was man in demokratie-müden Zeiten wie diesen sagen kann.
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