Schwere Unruhen nördlich von Paris

In den Vororten von Paris kommt es immer wieder zu Unruhen
Nach Tod eines Gewalttäters bei seiner Festnahme wurden Gendarmen beschossen. Ämter und Schule in Flammen.
Danny Leder

Danny Leder

Langsam aber sicher entwickeln sich die immer wieder aufflackernden Unruhen in Frankeichs sozialen Brennpunkt-Siedlungen in einer Weise, die den Spannungen zwischen Polizei und Afro-Amerikanern in gewissen US-Städten gleichen. So kam in der Nacht auf Mittwoch in der Kleinstadt Beaumont-sur-Oise im weiteren nördlichen Einzugsgebiet von Paris zu stundenlangen Zusammenstößen zwischen rund 100 jungen Männern und eigens zusammengezogenen Gendarmerie-Einheiten.

Dabei wurde auch aus Gewehren auf die Sicherheitskräfte gefeuert, sechs Beamte erlitten leichte Schussverletzungen. Dutzende Angreifer versuchten eine Schule, ein Kommissariat und ein Bezirksamt in Brand zu setzen, die Feuer konnten aber schnell gelöscht werden.

Polizeihubschrauber überflogen die Stadt bis ins Morgengrauen. Das Viertel, in dem die Unruhen ihren Ausgang genommen hatten, wurde abgeriegelt.

Herzversagen oder erschlagen?

Die Attacken folgten dem Tod eines 24 Jährigen Bewohner einer Sozialbau-Siedlung während seiner Festnahme durch Gendarmen. Gegen ihn wurde wegen „Erpressung und Gewaltangriff in einer Privatwohnung“ ermittelt. Die Behörden erklärten in einer ersten Stellungnahme, der Verdächtige sei an „Herzversagen“ gestorben, seine Familie behauptet, er sei „geschlagen“ worden. Die Staatsanwaltschaft hat sofort ein Untersuchungsverfahren wegen dieser Misshandlungs-Vorwürfe eingeleitet.

Aber unter den jungen Leute in Sozialbau-Siedlungen, in denen überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit herrscht und oft nur mehr maghrebinische und afrikanische Familien wohnen, ist das Vertrauen in die Behörden und die Justiz gering. Eine christliche Anti-Folter Organisation, „ACAT“, untersuchte 89 Fälle von Vorwürfen wegen Polizeiübergriffen mit nachhaltigen Folgen (darunter 26 Todesfälle und 29 ständige Behinderungen) zwischen 2005 und 2015. Ihre Schlussfolgerung: für Polizei und Gendarmerie gebe es „Straflosigkeit auch bei schlimmen Entgleisungen“. Es sei in solchen Fällen „extrem schwierig Anzeige zu erstatten, ein Verfahren einzuleiten und schlussendlich seine Einstellung zu vermeiden“. Allerdings seien Polizei-Übergriffe mit schweren Folgen „selten in Anbetracht der Menge der täglichen Polizei-Interventionen“, anerkennt ACAT in ihrem Bericht.

Spießrutenlauf für Polizei und Feuerwehr

Tatsächlich kann in einigen Siedlungen jeder noch so geringfügige Einsatz für Polizisten und sogar für die Feuerwehr zum Spießrutenlauf werden: Drogen-Banden, die auch immer häufiger von Schusswaffen Gebrauch machen, halten Gebäude-Blöcke und die dazu gehörigen Höfe unter ihrer Kontrolle und dulden kaum Behördenpräsenz. Sie können, je nach Bedarf, einen Schwarm Halbwüchsiger zum Angriff loshetzen, die nur darauf warten, sich in eine Straßenschlacht zu stürzen.

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