Zündstoff: Seitenwechsel

Warum Österreich zwar keine Fußball-Nation ist, aber durchaus zu einer Football-Nation werden kann.
Jonas Müller

Jonas Müller

Während der Zusammenfassung der EM-Qualifikationsspiele kam dem englischen TV-Kommentator folgender Satz aus: "Austria is not a football nation." Einerseits korrekt, andererseits falsch: Erst vor ein paar Tagen wurde Österreich nämlich Europameister. Deutschland und Dänemark wurden auf dem Weg zum Titel besiegt, im Finale dann auch noch Frankreich. Es handelte sich allerdings um die Junioren-EM im American Football. Vor zwei Jahren haben die Deutschen das Nachwuchs-System der Österreicher kopiert, das als das beste Europas gilt. Bei der WM der "Großen" im eigenen Land im Juli kam Österreich nach erfolgreicher Qualifikation zwar nur auf Platz 7, doch lockte das Event 70.000 Besucher an, 20.000 davon am Finaltag.

Die Top-Klubs der österreichischen Liga spielen meist vor rund 4000 Zuschauern und haben in sieben Jahren gleich sechs Mal die Eurobowl gewonnen. Noch nie wurde ein Spiel von Ausschreitungen überschattet. Dass Football reine Männersache ist, stimmt nicht: Bei den Cheerleader-Meisterschaften werden im Schnitt 650 Teilnehmerinnen gezählt . Natürlich ist die Kluft zu den amerikanischen Profis gewaltig. Doch Football in Österreich ist - wie fast überall in Europa - ein reiner Amateursport. Seit 1982 kämpft eine Gruppe von Idealisten fast täglich um neue Sponsoren. Wer also die langen Gesichter der Kicker, die beleidigten Erklärungen von Teamchefs, die ständig reißenden seidenen Fäden der Hoffnung, das unermüdliche Großreden österreichischer Gegner, die immer wiederkehrenden vorbeugenden Ausreden und das reflexartige Abrufen der ach so glorreichen Vergangenheit nicht mehr ertragen kann, der braucht offenbar nur das Wort "Fußball" wörtlich ins Englische zu übersetzen und die Seiten zu wechseln, um wieder Spaß am Sport zu haben.

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