Verheerendes Sittenbild

Zündstoff: Falsches Täter-Profil
Zündstoff: Was im Schwimmverband passiert, ist nicht nur ein sportlicher, sondern längst auch ein gesellschaftspolitischer Skandal.
Jürgen Preusser

Jürgen Preusser

Die Stahlbeton-Festung der Politfunktionäre hält bombenfest: Der erste Versuch, nach der olympischen Nullnummer etwas zu verändern, ist am Verbandstag der Schwimmer gescheitert.

Christian Meidlinger, 48, Gewerkschaftler und Abgeordneter der SPÖ im Wiener Gemeinderat, verspricht als neuer Schwimm-Präsident wenigstens eine Prüfung der fragwürdigen Gesellschaftsstruktur im Hintergrund und eine Modernisierung des Verbandes.

Dass Dinko Jukic, der beste Schwimmer des Landes, wegen seiner jetzt bestätigten Sperre klagt; dass auch der ehemalige Salzburger Landespräsident Christian Schneeberger gegen den Ausschluss seines Verbandes vor Gericht ziehen wird, scheint plötzlich sekundär zu sein.

Was ist da bitte los im österreichischen Sport? Wo bleibt der Aufschrei des Sportministers Darabos? Da wurde ein Spitzensportler auf schamlose, teilweise ausländerfeindliche Weise mundtot gemacht, weil er Sesselkleberfunktionären ein Wortgefecht geliefert hatte.

Wie gedenkt die Bundessport-Organisation (BSO) unter Peter Wittmann gegen die obskure und verfilzte Parallelwelt der Funktionäre vorzugehen?

Das verheerende Sittenbild im Schwimmverband ist nicht die einzige Baustelle: Der Judo-Verband steht ohne Führung da, nachdem dem Langzeitpräsidenten Hans Paul Kutschera die Wiederwahl verweigert wurde. Es könnte passieren, dass der ÖJV von der Vereinsbehörde unter Kuratel gestellt wird, wie News berichtete.

Doppel-Olympiasieger Peter Seisenbacher war – abgesehen von den para­lympischen Athleten – in London der einzige Österreicher, der eine (Gold-) medaille zu vermelden hatte: Als Cheftrainer des georgischen Judo-Teams. Galionsfiguren wie er sind in Österreich unerwünscht. Sie könnten für die festgeschraubten Funktionäre ja unbequem werden.

Und genauso passiert es dann, dass Matthias Steiner für Deutschland Olympiasieger im Gewichtheben wird. Weil ein Funktionär sinngemäß gemeint hatte, der Verband sei nicht für den Spitzensport zuständig.

So wird Dinko Jukic wohl irgendwann gegen seinen Willen und gegen seine Überzeugung für ein anderes Land Medaillen sammeln. Was im Schwimmverband passiert, ist nicht nur ein sportlicher, sondern längst auch ein gesellschaftspolitischer Skandal.

juergen.preusser@kurier.at

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