Armstrongs Antworten

Jürgen Preusser

Jürgen Preusser

Der fulminante Doping-Betrüger packt aus. Abrechnung mit einem System, Aufarbeitung eines Systems oder Selbstverteidigung gegen ein System?

von Jürgen Preusser

über Lance Armstrong

Lance Armstrong hat also gesprochen. Bei Oprah Winfrey, jener Frau, die unter anderem durch unkritischen Umgang mit Politikern zur Talkshow-Milliardärin wurde. Donnerstag wird das Interview ausgestrahlt. Oprah kündigt über Twitter und über die Nachrichtenagentur AP an, dass Lance "vorbereitet" gewesen sei. Wobei das Wort "prepared" im Zusammenhang mit Doping nicht unkomisch zweideutig ist. Klingt nach tränenreichem Plädoyer über die böse Welt, die sich gegen den armen, krebskranken Familienvater verschworen hat.

Doch es zählen nur die Antworten auf zwei Fragen: Reicht Armstrongs öffentliche Selbstverteidigung, um das System der korrupten Funktionäre, der Dealer und Profiteure auffliegen zu lassen? Und: Muss er ins Gefängnis?

Die Leichtathletin Marion Jones hat ihre sechsmonatige Haftstrafe 2008 abgesessen, nachdem sie alle fünf Medaillen der Sommerspiele von Sydney 2000 zurückgegeben hatte. Sie leistete auch 400 Stunden Sozialarbeit, zu denen sie verurteilt worden war.

Das System wurde zwar aus den Angeln gehoben, brach aber nicht zusammen. So wird auch ab 28. Jänner im Prozess um den spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes niemals die ganze Wahrheit ans Licht kommen.

Ob Armstrong sein Geld, schlimmstenfalls sein ganzes Vermögen an irgendwelche Firmen zurückzahlen muss, ist nebensächlich. Die dramaturgische Empörung der Mitwisser dient ausschließlich der Gewinnmaximierung sowie der Image-Politur. Und sie macht ein paar Anwälte reich. Diese Scheinheiligkeit zählt sozialpsychologisch zu den widerwärtigsten Nebenerscheinungen der Causa Armstrong. Jahrzehntelange mediale Realitätsverweigerung miteinbezogen. Wer tatsächlich nichts gewusst haben sollte, ist ein Volltrottel. In diesem Fall gibt es schon gar nichts aufzupolieren.juergen.preusser@kurier.at

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