wunder WELT: Armer Bub

wunder WELT: Kreislauf
Joachim Lottmann über die Kaufhaus-Security.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Kaufhausdetektive gibt es ja nicht mehr. Also nicht wie früher. Heute heißen sie "Security" und sehen auch so aus. Ich hatte jetzt mit einem zu tun. Ich ging nämlich mit sechs gerade gekauften, unausgefalteten Umzugskartons in einen Supermarkt in der Praterstraße. Die hohen, platten Pappen konnte man unmöglich die Regale entlangschleppen, und so fragte ich den Security-Mann am Eingang, ob er auf das Zeug aufpassen könne. Er benzte sofort los, ein bisschen zu aggressiv, wie ich fand. Wie er denn dazu käme? Sei er eine Gepäckaufbewahrung, oder was?

Er könne doch nicht für fremdes Eigentum von irgendwelchen Leuten die Verantwortung übernehmen! Was für ein Bürschchen. Gerade erst die ersten Bartstoppeln, aufgeregt zuckende Augen, untergewichtig, in die Höhe geschossen. Vielleicht 18 Jahre alt, oder sogar darunter. Ein armer Bub, dem man früher ein Geldstück in die ängstliche Hand gedrückt hätte, und übereifrig hätte er sich um das läppische Anliegen gekümmert. Doch nun war er Mr. Wichtig, Chief of Security. Er wiederholte, noch herrischer und selbstgewisser: "Nein, DIESE Verantwortung übernehme ich nicht!"

Verantwortung. Das große Wort. Übrigens auch DAS WORT des neuen deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck. "Verantwortung übernehmen" ist sein Credo, ja seine Religion. Ganze Bücher hat er darüber geschrieben. Ich lehnte die Pappen gegen die Wand und kaufte ein.

Der depperte Ladenschwengel, das sah ich, ließ sie trotzdem nicht aus den Augen. Der schlich immer um sie herum wie ein Wachhund mit ADHS-Syndrom. Auch ohne "verantwortlich zu sein". Schließlich holte ich sie wieder ab. Er sah mich nicht an. Sein fahles Pickelgesicht zuckte. Da trat ich einen Ausfallschritt nach vorn und schmetterte: "Gut gemacht, junger Mann!"

Und drückte dem Verdutzten gönnerhaft ein Zwei-Euro-Stück in die Hand ...

joachim. lottmann(at)kurier.at

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