Auf Messers Schneide
Scheißt’s euch nicht an, es ist ja nur Kunst.
Wenn Sie das lesen, kann ich gerade ein Schippel Glück gebrauchen. Unser Stück hat am kommenden Mittwoch im Rabenhof Premiere. Der Herr Direktor, der Regie führt, summt wie ein Kraftwerk, die Schauspieler gehen geradezu südstaatlichen Aberglaubensritualen nach, und meine Band ist wachsam und still. Tage auf Messers Schneide. Und der Spruch, den ich vor Jahren von einem Wiener Musiker gehört habe – „Scheißt’s euch nicht an, es ist ja nur Kunst“ – der wirkt diesmal auch bedingt. Ich weiß es: Ich brauche Glück. Und unsere Rauchfangkehrer scheinen dafür nicht zuständig. Statt mich zu segnen, hat einer von ihnen gerade jetzt wieder einen Brief hinterlassen, dass er uns nicht angetroffen hat und demnächst anzeigen wird. Von dem vier klassischen Neujahrsinsignien – Kleeblatt, Hufeisen, Rauchfangkehrer und Schwein – habe ich stets am meisten ans Schwein geglaubt, am wenigsten an den Rauchfangkehrer. Beim Rauchfangkehrer scheint zwar das Paradoxon des Äußerlichen überzeugend (ein kohlrabenschwarzer Mann soll das Schicksal auf die gute Seite rempeln), aber aus der Nähe bleibt vom Nimbus der Fortuna nimmer viel übrig. Beflügelt durch eine knebelartige Gesetzeslage, durch ihre Monopolstellung und ein Metternich’sches Kontrollsystem sind die Rauchfangkehrer eher Schergen ihrer eigenen Macht, als fröhliche Dienstleister, mit einem Hauch von good luck. Ich habe Rauchfangkehrer schon im Ersten, dann später in Mitte und jetzt auch hier in Erdberg stets vorrangig als Kontrollfreaks erlebt. Klar, niemand von uns will an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung sterben, aber im Vorfeld kann man ja reden, statt immer gleich zu drohen. Nachbarin H. versichert mir zwar, es gebe unter den Mitarbeitern der für uns zuständigen Rauchfangkehrerfirma „an aanzigen, der is wirklich leiwand“, aber den habe ich noch nicht getroffen. Ich erinnere mich nur an den Herbstmorgen im Jahr 1986, als ich eh schon im zweiten Anlauf zu meiner Reifeprüfung schritt und einem Rauchfangkehrer begegnete. Mit dem Satz „Ich hab heut Matura“ winselte ich um ein bisschen Glück. Der Mann sagte: „Echt?“ und ging weiter. Immerhin drohte er mir nicht.
ernst.molden@kurier.at
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