über LEBEN: Wilde Ehen

über LEBEN: Wilde Ehen
Guido Tartarotti über ein Hochzeits- und Scheidungsvideo.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Es ist schon länger her, da schenkten wir einem befreundeten Paar ein Video zur Hochzeit. (Wie lange das her ist, entnehmen Sie der Tatsache, dass es wirklich ein Video war. Wir hörten damals auch noch Kassetten, unsere Telefone waren an der Wand montiert und im Winter gingen wir fünf Stunden lang durch den metertiefen Schnee zur Sushi-Bar, nur um dort festzustellen, dass die Sushi-Bar noch gar nicht erfunden war.) Also das Video zur Hochzeit. Auf dem Video zu sehen waren Glückwünsche, eingeholt bei Interviews im ganzen Bekanntenkreis. Die beste Grußbotschaft kam von einer mit extratrockenem Humor ausgestatteten Anwältin: "Liebe Jessica, lieber Hugo, ich wünsche euch eine wunderbare Hochzeit. Und in zehn Jahren mache ich euch eine schöne Scheidung." War der ganz große Lacherfolg, damals, auf der Hochzeit. Genau zehn Jahre später erfolgte die Scheidung. Mein Vorschlag, Hugo und Jessica zur Trennung ebenfalls ein Video zu drehen, wurde im Freundeskreis als geschmacklos verworfen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, zu heiraten, es sei denn, man will sich in die Thronfolge eines Königshauses einmischen. Nichts, was sich am Zusammensein zweier Menschen gut anfühlt, fühlt sich nach der Hochzeit besser an. Dafür empfindet man das, was vorher schon unangenehm war, nachher als unangenehmer, weil auswegloser. Die Ehe ist ein Termingeschäft, eine Spekulation auf Gefühle in der Zukunft. Und da keine Substanz unter Einwirkung von Zeit so leicht verdunstet wie Liebe, ist das eine höchst riskante Spekulation. Im Freundeskreis lässt man sich wild scheiden - und trotzdem fast noch wilder wieder verheiraten. Und ja: Ich finde das schön. Es ist diese Kombination aus unausrottbarer Hoffnungsfreude und einer flachen Lernkurve, die uns Menschen so liebenswert macht.

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