Humor und Solidarität

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Das, was diese selbsternannten Planetenretter am wenigsten ertragen, ist Humor

von Guido Tartarotti

Über Tugendmissionare:

Unlängst schickte mir meine Kollegin H. per Hauspost ein Jugendbuch, dessen Held – genau wie ich – ein dickliches Lehrerkind ist. Auf das Buch hatte sie einen gelben Zettel gepickt, auf dem stand: „Ich weiß ja nicht, ob du Spaß verstehst ...“ Danke, liebe H.! Ich hab’ herzlich gelacht – das ist genau meine Art von Humor.

Mit dem Verstehen von Spaß tu ich mir meist nicht schwer. Allerdings verstehe ich oft den Ernst nicht (den Ernst, der in diesem feinen Magazin seine feinen Gedanken von der Leine lässt, den Molden, den versteh ich schon). Ich rede von jenem Ernst, den zum Beispiel so viele in den sozialen Medien vor sich hertragen. Mit der Humorlosigkeit von Moralpolizisten und Tugendmissionaren korrigieren sie politisch zu wenig korrekte Formulierungen, fordern genderneutrale Schreibweisen ein, rufen dazu auf, sich zu Veganismus und abgasarmer Lebensweise zu bekehren und posten gnadenlos einen Sonnenuntergang nach dem anderen springenden Delfin, verziert mit unerträglich selbstgerechten, bis zur Unkenntlichkeit abgewetzten Zitaten von mongolischen Philosophen oder Indianerhäuptlingen. Das, was diese selbsternannten Planetenretter (meine Freundin nennt sie „Ernsthosenkacker“) am wenigsten ertragen, ist Humor. Denn: Wie kann man nur lachen, wenn das Klima sich wandelt, die Donau über die Ufer tritt, in der Türkei demonstriert wird, die Frauenquote zu niedrig ist, Tiere gegessen werden und Lehrer vielleicht bald mehr arbeiten müssen? Und jetzt rasch, wir müssen rüber ins Biolokal, da gibt es ein salzloses Solidaritätsmenü – freudlos essen für die Dritte Welt ...

Meine persönliche Erfahrung: Humor ist so ziemlich das einzige, das uns hilft, das Leben zumindest eine Zeitlang zu überleben, und zwar mit Würde. Und deshalb lese ich jetzt das Buch über das dicke Lehrerkind.

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