Aulophobie

Das Kind flötet.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Das Kind flötet.

von Guido Tartarotti

über Weihnachtsgeräuschangst.

Das Kind flötet.

Wir leben ja angeblich im Zeitalter der Angst. Ängste sind heute Statussymbole – je ungewöhnlicher, desto mehr kann man mit ihnen die Nachbarn beeindrucken. Derzeit im Trend: die Aulophobie. Das ist die Angst vor Flöten. Diese Angst kennen die Eltern von Volksschulkindern gut, vor allem in der Weihnachtszeit.

Das Kind flötet.

Ich hatte ja, was Flöte betrifft, Glück. Meine Schwester spielte recht gut Flöte, meine Exfrau sogar ausgezeichnet. Meine Freundin spielt kein Instrument, aber sie kann sehr kompetent Platten von den Beatles, von Alice Cooper oder von Motörhead auflegen, was eine hervorragende Basis für eine Beziehung ist. Mein Sohn versuchte mit Leidenschaft, Gitarre zu lernen, gab den Versuch aber nach etwa zwölf Minuten wegen Erfolglosigkeit wieder auf. Meine Tochter wiederum ist musikalisch extrem begabt, sie brachte sich selbst Gitarre, Ukulele und Klavier bei, trommeln kann sie auch gut (sie kann also alles, was ich selbst gern könnte). Mir hat also niemand je die Nerven zerflötet.

Bis jetzt. Das Kind flötet.

Die Nachbarn in der Wohnung unter mir haben ein Kind, das heuer offenbar Flöte lernt. Die Töne dringen interessanterweise durch die Toilette in meine Wohnung. Möglicherweise sperren die Nachbarn ihr Kind zum Flöteüben ins Klo, was pädagogisch zu verurteilen, aber gut zu verstehen ist. Während ich dem Kind zuhöre, fällt mir ein, was mir eine Bekannte einmal erzählte: Ihr kleiner Bruder spielte so schlecht Flöte, dass die Eltern ihm sagten, er sollte nicht zu oft üben, das sei schlecht für das Instrument.

Das Kind in der Wohnung unter mir trötet gerade „Stille Nacht“ zu Brei, und wissen Sie was? Entweder liegt es an Weihnachten, oder ich werde alt, aber: Ich finde es schön. Zumindest beinahe.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 9. Jänner 2018 im Orpheum Wien zu sehen, am 13. Jänner in der Kulturwerkstatt Kottingbrunn, am 31. Jänner im Theater am Alsergrund und am 21. Februar im Kabarett Niedermair.

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