Guido, beinahe Weltklasse

Ich war die Florence Foster Jenkins des Fußballs.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Mein Schulkollege Gerhard, von dem ich seit 35 Jahren nichts mehr gehört habe, schreibt eine Mail. Gerhard lädt mich zu einem Fußball-Promi-Party-Turnier ein, was lustig ist, weil alle vier Begriffe mit meinem Leben eher inkompatibel sind.

Gerhard und ich spielten damals miteinander Schülerliga. Das heißt, Gerhard spielte, ich stand in der Nähe des eigenen Strafraums und versuchte, so wenig Schaden wie möglich anzurichten. Trainer der Schülerligamannschaft war mein Vater. Nach den Spielen hängte mein Vater Plakate in der Aula der Schule auf und schrieb darauf Benotungen der Spieler nach Vorbild der Zeitungs-Sportseiten. Da stand dann sowas wie „Gerhard: Weltklasse, fünf Tore geschossen, drei vorbereitet“ sowie „Guido, beinahe Weltklasse, kein Eigentor geschossen“.

Ich war ja als Kind die Florence Foster Jenkins des Fußballs. Ich war unbeschreiblich schlecht, sah mich selber aber als kommenden Nationalspieler. Da ich wusste, dass Nachwuchsfußballer viel trainieren müssen, übte ich wochenlang gaberln, konnte aber den Ball dennoch nie länger als zwei Sekunden an der Flucht hindern. Also verlegte ich mich darauf, Hans Krankls Torjubel zu trainieren und wurde rasch ziemlich gut – die Geste kann ich heute noch, sie bringt mir allerdings keine Vorteile im Berufsleben.

Ich habe sogar ein ganz gutes Ballgefühl, allerdings sehe ich sehr schlecht, und da sich Bälle meist bewegen, sind sie für mein Ballgefühl unerreichbar. Ich glaubte dennoch recht lange an meine glorreiche Zukunft als Teamkicker, um genau zu sein, bis zu meinem 41. Lebensjahr. Da verletzte ich mich am Knöchel (nicht beim Fußball, sondern bei meiner Tätigkeit als DJ) und beendete spontan meine Karriere. Gerhard möchte mich zu einem Comeback überreden, aber ich lasse es lieber – man soll der Jugend eine Chance geben.

Kommentare