Passt soweit alles?

Wichtig in einer Partnerschaft ist ja auch, dass man die gleichen Dinge NICHT mag. Insoferne passen meine Freundin und ich perfekt zusammen. Wir teilen leidenschaftliche Abneigungen gegenüber Disco- und House-Musik, missionarisch agierenden Wahrheitsbesitzern, Selbstmitleid, zu langen Theaterstücken, Fertigteil-Lebensweisheiten wie „Sei selbst die Veränderung, die du für die Welt wünschst“ und jeder Jahreszeit, die nicht „Juli“ heißt.

Und: Wir hassen beide das Einkaufen von Kleidung und Schuhen. Es ist uns lästig, es geht uns auf die Nerven.

Ihre Stiefel trägt meine Freundin so lange, bis sie ihr von den Füßen fallen. Erst dann ist sie bereit, ein Schuhgeschäft aufzusuchen. Unlängst war es wieder soweit: Mit finsterem Blick marschierte sie ins Geschäft, probierte zwei Paar Stiefel, kaufte eines davon und war wieder draußen, bevor die Verkäuferin „Darf ich Ihnen vielleicht noch ...?“ sagen konnte. Es erstaunt mich immer wieder, wie eisern sich diese Frau weigert, den Klischees ihres Geschlechts zu entsprechen.

Ich musste mir unlängst einen Anzug kaufen. Es war nicht zu vermeiden: Ich war zu einem Anlass geladen, bei dem das Erscheinen ohne Anzug ein Affront gewesen wäre. Und ich besaß schon seit zehn Jahren keinen Anzug mehr. Einen hatten die Motten gefressen, einen hatte ein Glas Rotwein ermordet, und aus einem war ich, äh, herausgewachsen.

Ich rief meine liebe Exfrau an, die früher immer die Anzüge für mich gekauft hatte, und ließ mir von ihr erklären, wie man das überhaupt macht, Anzüge kaufen (und ja, ich weiß genau, wie peinlich das ist). Wenig später stand ich in einem Geschäft in der Umkleidekabine, hatte nur Unterhosen an, als die Verkäuferin den Vorhang öffnete und „Passt soweit alles?“ fragte, draußen ging gerade ein Ehepaarvorbei, blieb stehen, starrte mich an, ich starrte zurück, und dann sagte er: „Wir lesen jeden Samstag Ihre Kolumne.“

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 18. November, am 20. Dezember und am 20. Jänner im Theater am Alsergrund zu sehen sowie am 11. Jänner beim Satirefestival Schwechat .