Das Leben schmeckt: köstlich

Über gute Diagnosen.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Und dann hat einen der salzlose Alltag wieder.

von Guido Tartarotti

über gute Diagnosen..

Nie sind wir so sehr am Leben wie kurz vor und kurz nach einer ärztlichen Untersuchung, vor der wir uns wirklich fürchten. Und zwar nicht nur deshalb fürchten, weil die Untersuchung unangenehm zu werden verspricht. Sondern vor allem deshalb, weil die Diagnose theoretisch auch sehr unerfreulich sein könnte.

Drei Tage vor der Untersuchung wechselt man von der Panik in eine Art Schockstarre. Man hört auf, mögliche Krankheitsverläufe zu googeln, man beendet die ständigen Selbstuntersuchungen, man gibt es auf, Symptome und Schmerzentwicklungen zu belauschen und in den eigenen Körper hineinzuspüren. Plötzlich wird die Welt schärfer, als hätte sie jemand heller ausgeleuchtet. Man nimmt Bilder, Geräusche, Gerüche genauer wahr, die Minuten bekommen einen intensiveren Geschmack. Gleichzeitig relativieren sich Dinge, die einen sonst so stören, verpasste Straßenbahnen, unhöfliche Menschen, verschüttete Getränke. Man hört auf, sich zu ärgern. Man bekommt einen sehr wachen Sinn dafür, was wichtig ist und was nicht.

Wenn man dann beim Arzt im Wartezimmer sitzt, ist man plötzlich ruhig, heiter, angstfrei. Egal, was jetzt kommt – es soll kommen, nur, damit das Warten endlich vorbei ist.

Dann ist die Untersuchung tatsächlich unangenehm und peinlich, man kommt sich lächerlich vor, aber das überspielt man mit erstaunlich schlagfertigem Galgenhumor. Und dann ist die Diagnose so erfreulich, wie sie nur sein kann – man hat nichts, was erstaunlicherweise bedeutet, dass einem nichts fehlt.

Die kommenden Stunden sind geprägt von purem Genuss der Tatsache, dass man gesund ist. Das Leben schmeckt: köstlich. Dieses Gefühl hält, langsam schwächer werdend, drei Tage an. Kurz denkt man noch an die Menschen, die keine so gute Diagnose bekommen, und kurz denkt man auch: Wie viele gute Diagnosen habe ich noch in Reserve? Und dann hat einen der salzlose Alltag wieder.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 20. Dezember und am 20. Jänner im Theater am Alsergrund zu sehen, am 11. Jänner beim Satirefestival Schwechat und am 18. Jänner im Kabarett Niedermair.

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