52,08 Euro

Weihnachten 2003: KURIER, Kronenzeitung, Veuve Clicquot 0,75, Jack Daniels/Cola.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Guten Willen, und was zu trinken.

von Guido Tartarotti

über Weihnachten.

An meiner Pinnwand hängt ein Kassenzettel einer Tankstelle vom 24. 12. 2003. Der Wisch ist vergilbt, man kann die Buchstaben kaum noch lesen. Aber ich weiß eh auswendig, was da drauf steht: „KURIER, Kronenzeitung, Veuve Clicquot 0,75, Jack Daniels/Cola“. Gesamtbetrag: 52,08 Euro.

Das war damals mein Weihnachts-Menü. Zwei Zeitungen, eine Dose Mischgetränk, und zum Abrunden eine Flasche Champagner. Ich fand das damals irgendwie dekorativ und dekadent. In Wahrheit war es natürlich nur elend: Zwei wichtige Beziehungen waren hintereinander in die Brüche gegangen und ich saß schwer depressiv in meiner Wohnung und „feierte“ allein mit Kronenzeitung und Whiskey-Cola. Ich redete mir damals ein, das Ganze sei irgendwie poetisch und ich selber eine Art existenzialistisches Gesamtkunstwerk im Stil von Charles Bukowski, aber das glaubte ich mir selber nicht.

Diesen Kassenzettel habe ich mir aufgehoben, er soll mich daran erinnern, wo ich nicht mehr hinwill (und gleichzeitig soll er mir sagen, dass Humor immer noch das beste Mittel gegen Selbstmitleid ist). Wenn die Schrift, ausgebleicht vom Sonnenlicht, irgendwann nicht mehr zu lesen sein wird, und der Zettel wieder ganz weiß ist, dann kann ich etwas draufschreiben und ihn danach wegschmeißen. Eine schöne Metapher, finde ich.

Ich neige nicht zu Pathos und Gefühlskitsch (zumindest behaupte ich das), aber Weihnachten bricht jeden Widerstand in mir. Ich bin auch nicht (mehr) religiös, doch Weihnachten erinnert mich daran, dass die Hoffnung existiert, dass sie stärker sein kann als die depperte Angst, dass es in Wahrheit ganz einfach sein könnte: Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind. Manchmal sind die Dinge tatsächlich ganz, ganz simpel: Wären alle guten Willens, gäbe es Frieden. Zu Weihnachten glaubt man noch daran, ein paar Stunden, bevor die dreckige Logik von Geld, Gier und Den-Hals-nicht-vollkriegen sich wieder durchsetzt.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 20. Dezember und am 20. Jänner im Theater am Alsergrund zu sehen, am 11. Jänner beim Satirefestival Schwechat und am 18. Jänner im Kabarett Niedermair.

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