Warum mit dem Erbfreund noch eine 30 Jahre alte Rechnung offen ist

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Bei der WM-Qualifikation für 1986 aber hörte sich die Freundschaft auf.

von Wolfgang Winheim

über das Duell mit Ungarn

Abgesehen vom 40-jährigen Tormann Gabor Kiraly, der seine Beine selbst im Sommer mit einer Jogging-Hose verhüllt – ungarische Fußballer sind in Österreich kein Begriff. Das war einst ganz anders. Ferenc Puskas, Nandor Hidegkuti, Sandor Kocsis und Zoltan Czibor galten als die begnadeten Ballkünstler der Nachkriegszeit. Und der 90 Jahre alte Rapidler und WM-Dritte von 1954, Alfred Körner, behauptet heute noch, dass die wahren Weltmeister die Ungarn und nicht deren deutsche Bezwinger im Finale 1954 gewesen seien.

Im Herbst 1956 stand vom Kommunisten-Regime in Budapest keiner mehr vor Major Puskas Habt Acht. Wie fast 200.000 Landsleute entschloss auch er sich zur Flucht. In Österreich war die Hilfsbereitschaft groß. So war der Schreiber dieser Zeilen stolz, als er sein Kinderzimmer räumen durfte – für ein geflüchtetes Arzt-Ehepaar, das drei Jahre später die Klinik von Winnipeg (Kanada) leitete. Auch Fußballer betrachteten Wien als Zwischenstation. Was Puskas als Undankbarkeit ausgelegt wurde, weil er einen Vorvertrag beim Sportklub unterschrieben hatte. Doch hätte Puskas vielleicht den Lockruf von Real ignorieren sollen?

Im Karrierefinish dachte Puskas sehr wohl an Wien. Zu seinem Abschiedsspiel durfte Rapid 1969 im Madrider Bernabéu einlaufen.

Hierzulande garantierten zu dieser Zeit selbst freundschaftliche Ungarn-Länderspiele ein volles Stadion. Bei der WM-Qualifikation für 1986 aber hörte sich die Freundschaft auf, was weniger am ungarischen 3:0-Sieg lag, sondern an einem dubiosen 0:1 der Ungarn daheim im letzten Gruppenspiel gegen die Niederlande, womit Österreich Platz zwei und die WM verpasste. Weil die als Gruppensieger bereits feststehenden Ungarn die Bälle lässig in den Budapester Nachthimmel knallten, wurden Schiebungsrufe laut. So wurde Austria-Legionär Tibor Nyilasi als Ungarns Kapitän kurzfristig nicht nur für Rapid-Fans zum Feindbild.

Bei der WM ’86 in Mexiko schmolzen dann Ungarns Hoffnungen bei 35 Grad im Auftaktspiel dahin – 0:6 gegen die UdSSR. Österreichs Córdoba-Teamchef, Helmut Senekowitsch, hatte das Debakel als Sitznachbar des KURIER-Reporters früh erahnt. "Das wird heute nix. Den Ungarn ist zu heiß. Die stehen schon bei der Hymne letschert wie Verlierer da."

Nach 30 Jahren wird am Dienstag erstmals wieder die ungarische Hymne bei einer Endrunde ertönen. Und mit György Garics ein ÖFB-Nationalspieler vielleicht zu beiden Hymnen singen. Erst recht, nachdem sein Vater gestern mit 62 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben ist. "Sein Vater wird ihm am Dienstag von oben die Daumen drücken", schrieb Kiraly auf seiner Homepage. Der Tormann hatte in jungen Jahren mit Garics senior sogar gemeinsam gespielt.

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