Nostalgische Rasereien

Nostalgische Rasereien
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Im neuen Jahrtausend habe ich meinen Formel-1-TV-Konsum auf den Start beschränkt

von Wolfgang Winheim

über Heinz Prüller

Zum 30. Mal startet die Formel 1 heute in Österreich. Wussten Sie,

dass der Brite Jack Brabham 1963 das erste (noch nicht zur WM zählende) Rennen im Murtal dort gewann, wo heute die Eurofighter stehen?

dass 1971 das F-1-Debüt des Wieners Niki Lauda nur weniger steirische Runden dauerte?

dass der US-Amerikaner Mark Donohue 1975 an einer Werbetafel zerschellte?

dass 2004 der Murtaler Dietrich Mateschitz das gesamte Gelände kaufte?

dass es so schien, als würde Michael Schumacher, der 2003 in Spielberg dominierte, für ewige Zeiten der letzte Sieger eines Österreich-GP sein?

Heinz Prüller, 76, muss nicht googeln. Er ist das personifizierte Formel-1-Lexikon. Er war schon beim ersten Österreich-GP am Mikrofon. Als sich Mateschitz von einem Boliden bestenfalls ein Auspuffröhrl hätte leisten können; als auf dem Flugplatz in Zeltweg gefahren wurde; als es dort noch keine Autobahn gab; und als ORFler, um die Filmrollen rechtzeitig ins Studio nach Graz zu bringen, als Steuerkünstler fast genauso viel riskierten wie die Formel-Piloten dieser Zeit.

Ab 1970 wurde auf einer neuen Strecke in Spielberg gefahren. 1987 raste Nigel Mansell zum Rundenkrekord. Jener Weltmeister, der den KURIER-Experten Helmut Zwickl ob seiner technischen Fachkenntnis genauso verehrte wie der Journalist den Briten.

Auch Mateschitz hörte auf den KURIER-Mann. Zumindest verriet der Red-Bull-Boss 2001 bei einem Vortrag vor 90 Ohrenzeugen in Abtenau, dass Zwickl es gewesen sei, der ihn zum Einstieg in den Motosport animiert hatte. Zwickl hat damit nie geprahlt. Kleinlaut gestehe ich, dass ich Jahrzehnte Zwickls Berichte mit Titeln versehen, einen Grand Prix aber nie aus der Nähe erleben durfte. Mir fehlt somit das Recht, über die Formel 1 zu urteilen; ob Sebastian Vettel der Böse ist; ob Ingenieure wirklich schon mehr als die Fahrer die Rennen beeinflussen.

Im neuen Jahrtausend habe ich meinen Formel-1-TV-Konsum auf den Start beschränkt bzw. immer dann zugeschaut, wenn Prüller aufschrie. Kein anderer lebte so mit wie er. Kein anderer eignete sich so viel privates Hintergrundwissen an. Manche hat er vom Siegespodest bis zum Sarg begleitet.

Nicht nur einmal kam’s vor, dass Prüller bei einem Übersee-Skirennen ORF, Ö3 und die Krone zugleich vertrat. Und zwischen zwei Slalom-Durchgängen noch mit der Witwe eines seiner Motor-Idole telefonierte.

Der Stress blieb nicht ohne Folgen. Just in Spielberg ging der Workaholic vor drei Jahren k.o. Seine Stimme ist noch immer so kräftig wie in besten Reporterzeiten. Doch die Beine gestatten dem Verfasser von 96 Formel-1-Büchern keinen Besuch beim Jubiläumsrennen.

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