Mund halten muss keine Schwäche sein

Wolfgang Winheim
Wolfgang Winheim

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Die spanische Hymne verfügt nämlich über gar keinen Text.

von Wolfgang Winheim

über falsche Beweise für fehlendes Teamwork

Eine der schönsten Nationalhymnen wird morgen bei der WM in Brasilien vermutlich zum letzten Mal ertönen. Gemeint ist nicht die deutsche, sondern jene, die auf dem Schwechater Flughafen anlässlich des Staatsbesuchs von Wladimir Wladimirowitsch Putin gespielt wurde.

Putins kickende Landsleute stehen unter Erfolgszwang. Im Gegensatz zu Deutschen und Amerikanern genügt den Russen im letzten Gruppenspiel kein Remis. Sie müssen gegen Algerien gewinnen. Andernfalls können sich der mit acht Millionen Euro jährlich bestbezahlte (italienische) WM-Teamchef Fabio Capello und seine russischen Schützlinge schon auf die EM-Qualifikation und somit auf Österreich konzentrieren.

ÖFB-Teamchef Marcel Koller spioniert bei den Russen noch ein letztes Mal in Curitiba. Danach kehrt er heim. Gleichgültig, ob es Russland doch noch ins Achtelfinale schafft oder nicht.

Putin wird ungeachtet des russischen Abschneidens und des Ukraine-Konflikts beim Finale am 13. Juli in Rio erwartet. Zumal Russland im Juni 2018 Gastgeber der nächsten WM ist. Bleibt zu hoffen, dass in ihrem Vorfeld nicht nur – wie zuletzt immer bei sportlichen Großereignissen – über menschenverachtende Missstände im Veranstalterland, sondern über Sport berichtet werden kann. Aber das ist vermutlich ein zu naiver Wunsch. Wiewohl mit dem Skandalisieren und Missinterpretieren von Ferndiagnostikern zuweilen auch übertrieben wird.

So sehen Leser K., ein pensionierter Schuldirektor, und Frau G. allein in der Tatsache, dass Spaniens Stars beim Abspielen ihrer Hymne nicht mitgesungen haben, den Beweis für fehlendes Teamwork und politische Uneinigkeit unter den entthronten Weltmeistern.

Einwand: Madrilenen (Iker Casillas, Xabi Alonso), Andalusier (Sergio Ramos) und Katalanen (Gerard Piqué, Andrés Iniesta) hatten schon 2008, 2010 und 2012, als sie den Titel holten, den Mund gehalten. Die spanische Hymne verfügt nämlich über gar keinen Text.

Die Spanier verließen noch in der Nacht nach dem letzten Match Brasilien.

Mund halten muss keine Schwäche sein
epa04271837 Iranians celebrate in the streets in Tehran, Iran, 21 June 2014, after Iranís national soccer team lost its match against Argentina during the FIFA World Cup 2014 group F preliminary round earlier today by a last minute goal of Argentine forward Messi. EPA/STRINGER

Beim großen Außenseiter wurde der Heimflug noch nicht gebucht: Die Iraner spekulieren noch immer mit dem Aufstieg und hoffen, dass ihnen der Referee heute (gegen Bosnien) besser gesinnt ist als zuletzt der SerbeMazic, der ihnen gegen Argentinien einen klaren Elfer vorenthielt. Auch StaatspräsidentHassan Rohaniwar empört. Deshalb würden die Iraner im Fall eines Ausscheidens in Teheran nicht wie Versager, sondern wie Märtyrer empfangen werden. Nach der letzten Südamerika-WM 1978 in Argentinien bzw. eineinhalb Jahre danach war das noch anders gewesen. Damals sollen sogar drei iranische WM-Spieler hingerichtet worden sein.

Während Ajatollah Khomeinis Kulturrevolution galt Fußball als sündiger westlicher Frevel. So wie jetzt unter den nigerianischen Terroristen von Boko Haram.

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