Ein Erfolg wider Tradition und Logik

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Was dem Schweizer Pokerface und seinen österreichischen Legionären gegenüber früherer Teams noch fehlt.

von Wolfgang Winheim

über einen unerwarteten Sieg

Kein Druckfehler: Österreich – Schweden 3:0. Diesen Erfolg plus ein 6:0 gegen Bosnien fuhr das U-19-Team soeben in der EM-Qualifikation ein, während die U-21 ein Turnier in der Ukraine dank eines 1:0 gegen die Gastgeber und eines 3:0 gegen Tschechien gewann. Den Hinweis auf die tollen Nachwuchsresultate baute ÖFB-Präsident Leo Windtner wahrscheinlich schon gedanklich in seine Verteidigungsstrategie vor Kameras ein. Schließlich will er am 16. Juni wiedergewählt werden. Und schließlich sah es in den ersten 15 Minuten im Prater so aus, als müsse der ÖFB die WM-Hoffnung begraben. Jedoch: Verbale Ablenkungsmanöver plus ein Vertrösten auf die EM 2016 sind vorerst nicht notwendig. Teamchef Marcel Koller hat hoch gepokert, gewonnen und für Premieren gesorgt: Noch nie in einem Wiener Länderspiel liefen in den Startformationen zweier Teams ausnahmslos Legionäre ein. Noch nie waren Rapidler bei einem Bewerbsländerspiel nicht einmal im Kader, was sich allerdings bald ändern könnte, zumal Marcel Sabitzer an der Nachwuchsfront beim 3:0 gegen Schweden als dreifacher Torschütze brillierte. Noch nie – und das löste unter Altmeistern der heimischen Ballkunst bei Bekanntwerden der Aufstellung kollektives Kopfschütteln aus – besaß ein ÖFB-Teamchef die Kühnheit, in einem so wichtigen Match gleich fünf Mann zu vertrauen, die bei ihren Vereinen wenig bis gar nicht hatten spielen dürfen. Die Reservisten rechtfertigen nicht nur Kollers Vertrauen. Marc Janko und Marko Arnautovic nutzten die Qualifikationsbühne auch zu PR in eigener Sache, zumal deren Vereinszukunft (anders als die des künftigen Spaniers Andreas Ivanschitz bei Valencias Stadtrivale Levante) ungeklärt ist. Die Stimmung im Prater glich der eines Pop-Konzerts. Noch 20 Minuten nach Abpfiff harrten Zigtausende jubelnd auf ihren Plätzen aus. Noch um 0 Uhr warteten Fans vor dem „Bühnentürl“, während kritische VIPs am Buffet anmerkten, dass anders als in früheren erfolgreichen Qualifikationszeiten sehr viel Masel nötig war. Einspruch: Österreichs Fußballer brauchten auch im letzten Jahrhundert speziell gegen Schweden das Glück der Tüchtigen. Nur mit dem Unterschied, dass damals eine unumstrittene Nummer eins mit Weltklasseformat im Tor, wie sie Kollers Auswahl noch fehlt, zusätzlich Sicherheit gab. Das war bei der WM ’78 so, als die Schweden an Friedl Koncilia verzweifelten. Und das war vor der WM ’98 so, als Michael Konsel in den Quali-Spielen gegen Schweden alles (auch einen Elferball) hielt. Konsel hat übrigens diesmal noch am Matchtag mit einem Boot als Nahversorger für seine vom Donau-Hochwasser eingeschlossenen Verwandten in Kritzendorf fungiert, während Teamkapitän Christian Fuchs im Namen der Mannschaft 10.000 Euro an Hochwasseropfer spenden ließ. Der sozial engagierte Fuchs wird sicher auch größtes Verständnis dafür haben, dass entgegen allem medialen Jubelgeheul der Titel „Helden der Woche“ nicht ihm und seinen Kicker-Kollegen, sondern den vielen freiwilligen Helfern und Feuerwehrleuten zusteht. Sportlich zählt ohnehin nur eins: Hauptsach’, drei Punkte im Trockenen.

Kommentare