Die verhinderte Jahrhundertsportlerin

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Annemarie Moser-Pröll sollte Ehrengast bei der WM-Eröffnung am Montagabend sein. Zumal sie in St. Moritz 1974 erstmals Abfahrtsweltmeisterin wurde. Sie kann die Schweizer Einladung nicht annehmen. Ihr drolliger Absagegrund: eine zehn Wochen junge Jagdhündin, die noch Rundum-Betreuung benötigt. Schon im Sommer soll Dinka die Annamirl auf die Pirsch begleiten.

Dass Österreichs seit 2008 verwitwete Jahrhundertsportlerin eine leidenschaftliche Jägerin ist, lässt sich in ihrem neuen, gemütlichen Holzhaus in Kleinarl allein am Wandschmuck sofort erkennen. Links ein Steinbock, den die Salzburgerin im Tiroler Pitztal erlegt hat, rechts eine Galerie von Geweihen.

Ski-Trophäen stechen einem vergleichsweise nicht sofort ins Auge. Obwohl Annemarie Moser-Pröll 62 Weltcuprennen gewonnen hat. Übertroffen wird sie in dieser Statistik nur von Lindsey Vonn, die übrigens auch auf den Hund gekommen ist. Spaniel Lucy darf selbst bei der WM nicht fehlen.

Die verhinderte Jahrhundertsportlerin
Annemarie Moser-Pröll, Bild für einmalige Verwendung honorarfrei
Vonn hält bereits bei 77 Siegen. Wobei zu Frau Mosers Ehre erwähnt werden muss, dass es zu ihren Rennzeiten eine Disziplin weniger – nämlich keinen Super-G – gab. Zudem stehen bei ihr um zwei große Kristallkugeln (= sechs Pokale für den Gesamtweltcup) mehr als bei Vonn in der Vitrine. Von Generationenvergleichen hält Moser-Pröll wenig. Und neidisch auf die 31 Jahre jüngere Amerikanerin ist sie schon gar nicht. Im Gegenteil: "Lindsey is a wunderbare Werbung für den Skisport."

Auch dass es deren sehnlichstes PR-Ziel ist, sich einmal in einer Abfahrt mit den Männern zu messen, löst bei Annemarie kein Kopfschütteln aus. Lächelnd erzählt sie, dass der legendäre Abfahrtscoach Charly Kahr als Vorbereitung auf die WM 1974 in St. Moritz das Damenteam die Kitzbüheler Streif hinter den Herren hatte herunterrasen lassen.

Annemaries Respekt war damals schon beträchtlich. Und er ist, seit sie als Jung-Sechzigerin an einem Montag nach dem Hahnenkamm-Wochenende eine Lücke im Zaun entdeckt und die noch rennmäßig harte Streif abgefahren hat, noch größer geworden. "Weil die Streif sogar no ärger is, als sie im Fernsehen ausschaut. Unvorstellbar, dass sich da ein Mann Schuss obitraut." Geschweige denn eine Frau.

Ähnlich hat es Armin Assinger formuliert. Dass ihm daraufhin frauenfeindliches Gehabe unterstellt wurde und ihn der ORF sogar in ein Gender-Seminar schicken wollte – solche Reaktionen findet die Salzburgerin maßlos übertrieben. Obwohl sie den Ski-Co-Kommentator Assinger nicht so gerne mag wie den Millionenshow-Gastgeber Assinger. "Weil der bei Skirennen so tut, als hätte er so viel g’wonnen wie der Klammer."

Tochter Marion nickt. Am liebsten hören sie und ihre legendäre Mama, die längst Oma ist, dem Hans Knauß bei Rennübertragungen zu.

Kommentare