Sperrstund’ is

Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie ein Wochenende ohne Nachtleben wäre? So ganz ohne Clubs, Lokale, Menschen auf der Straße nach Mitternacht? Nein? Nun, ich auch nicht.

Mir reicht Sonntagvormittag, wo die Wiener Straßen an ein verlassenes Western-Dorf erinnern und nur die Musik von "Spiel mir das Lied vom Tod" fehlt.

Umso verwunderter war ich letztens über eine Forderung im Wahlkampf. Die derzeit zweitstärkste Partei will nach einem Wahlsieg eine gastronomische Sperrstunde um Mitternacht einführen. "Wir bringen allen Anrainern eine gesegnete Nachtruhe", heißt es auf Flyern. Mal abgesehen davon, dass so eine Forderung existenzbedrohend für viele Gastronomen dieser Stadt ist, frage ich mich vor allem eines: Waren die noch nie in einer anderen Metropole? In London oder Berlin?

Das nennt sich Nachtleben, dort ist es laut am Wochenende. Ich weiß, Wien ist eine alte Dame, aber zuletzt ist sie doch recht agil geworden. Eine Millionenstadt ohne Nachtleben kann niemand ernsthaft wollen. Da mein Bruder seit geraumer Zeit einen Club führt, höre ich oft aus erster Hand von Schwierigkeiten junger Unternehmer. Dutzende erforderliche Genehmigungen, behördliche Kontrollen, Anzeigen.

Einige gut gehende Clubs haben auch deshalb wieder zumachen müssen. Das Morisson im fünften Bezirk zum Beispiel. Was sagt das über die "Weltstadt" Wien?

Ich verstehe natürlich die Sorgen der Anrainer. Ich habe selbst ein halbes Jahr in Madrid neben einer Diskothek gewohnt und meine Nächte mit Ohropax verbracht. Niemand soll jedes Wochenende um seinen Schlaf gebracht werden.

Aber ein Nebeneinander muss funktionieren können. In Wien leben 1,8 Millionen Menschen. Und eine beträchtliche Zahl dieser Einwohner will am Samstag nun mal nicht schlafen, sondern feiern. Um den Alltag zu vergessen, um anzubandeln, um zu tanzen.

Ein bisschen Lärm am Wochenende. Das muss Wien vertragen.