Eine Jacke, zwei Kunden, zwei Angebote

Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Aber nein, mit der Nationalität der Kunden habe das selbstverständlich nichts zu tun.

von Anna-Maria Bauer

ungleiche Behandlung im Bekleidungsgeschäft

Ein Beispiel von KURIER-Leserin Lisa L., das illustriert, dass Kunde nicht gleich Kunde ist:

Ihr Lebensgefährte, ein 28-jähriger Syrer, der seit drei Jahren in Österreich wohnt, Deutsch auf C1-Niveau spricht und einen 40-Stunden-Job ausübt, wollte vergangene Woche eine Jacke reklamieren, die er vor zwei Monaten um rund 200 Euro gekauft hatte. Die Jacke hatte sich an der seitlichen Naht auf fast fünf Zentimenter aufgetrennt.

Er ging in eine Wiener Filiale der internationalen Modekette und schilderte das Problem. Die Schneiderin erklärte, sie könne die Jacke nur reparieren, wenn diese gewaschen werde, und dann würde das Bearbeiten wohl zwei Wochen in Anspruch nehmen. Der gebürtige Syrer zeigte sich verwundert, da die Jacke – bis auf die aufgerissene Naht – in tadellosem Zustand gewesen sei. Der dazugeholte Abteilungsleiter bestand dann ebenfalls darauf, dass die Jacke gewaschen werden müsste. Kunden hätten unlängst nach Reparaturen behauptet, das Unternehmen hätte ihre Kleidung verschmutzt. Ayham A. zog unverrichteter Dinge wieder ab.

Am nächsten Tag versuchte die Wienerin Lisa L. ihr Glück. Die Schneiderin, eine andere als am Vortag, besah sich den Fehler und füllte ohne Fragen oder Begutachtungen den Reklamationsschein aus. Sie erklärte, die Jacke könnte in zwei Tagen wieder abgeholt werden. Wenn es dringend sei, am nächsten Tag.

Der Abteilungsleiter konnte Lisa L. nicht erklären, weshalb die Reparatur von ein und derselben Jacke an einem Tag nicht und am anderen schon möglich war; weshalb derselbe Vorgang einmal zwei Wochen, einmal nur zwei Tage in Anspruch nahm. Aber nein, mit der Nationalität der Kunden habe das selbstverständlich nichts zu tun.

Dem KURIER erklärte das Unternehmen, die Jacke habe am ersten Tag einen Fleck gehabt, am zweiten nicht. (Laut Lisa L. war die Jacke an beiden Tagen im selben Zustand.) Ansonsten sprach die Modekette von einer "normalen Vorgehensweise".

Schade, dass so etwas normal ist.

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