Die Formation der Wartenden erinnert kaum an eine Schlange – außer an eine, die einen Schrank verdrückt hat.

von Anna-Maria Bauer

über unsere nicht vorhandene Anstellkultur

Das Eisgeschäft in der Rotenturmstraße 14 ist seit Kurzem ein besonderer Pionier. Es ist die erste Wiener Gelateria mit " Eisspur". Auf dem Gehsteig vor dem Lokal wurde mittels Klebestreifen eine Bahn gekennzeichnet, in die sich die Eishungrigen beim Warten einreihen sollen.

Das verhindert nicht nur ein Blockieren der benachbarten Geschäftslokale, sondern nimmt sich auch einer ur-österreichischen Problematik an: der nicht vorhandenen Anstellkultur. Schaut man zu anderen Eissalons in der Umgebung, etwa dem Zanoni am Lugeck oder dem Eisgeschäft am Schwedenplatz, erinnert die Formation der Wartenden kaum an eine Schlange – außer vielleicht an eine, die einen Einbauschrank verdrückt hat. Da quer. Und an den Tresen tritt oft nicht die Person, die zuerst da war, sondern diejenige, die den meisten Personen beim Nachvornedrängen auf die Zehen gestiegen und den Ellbogen in die Rippen gebohrt hat.

Das ist nicht nur mühsam, sondern auch unnötig und daher wäre dieses Thema definitiv eines, bei dem wir von den Briten lernen könnten. Denn egal ob in der Bank, an der Supermarktkasse oder bei der Bushaltestelle: Die Engländer stehen geduldig und diskussionsfrei Schlange. Ja, das Anstellen wird in England sogar akademisch untersucht. Eine aktuelle Studie vom University College London zeigt, dass sechs hierbei die magische Zahl zu sein scheint. So stehen Personen durchschnittlich sechs Minuten, bevor sie das Warten aufgeben. Weiters ist es unwahrscheinlich, dass sich Personen in eine Schlange mit mehr als sechs Personen einreihen. Und letztlich empfinden es die meisten als unangenehm, weniger als sechs Zoll (knapp 16 Zentimeter) an einer Person dranzustehen.

Wie sehr ihnen Vordrängler zuwider sind, zeigt sich in der kürzlich getätigten Aussage der britischen Integrationsbeauftragten, die meinte, man sollte den neuen Mitbürgern, das richtige Anstellen erklären, um Konflikte zu vermeiden.

Vielleicht sollten die Briten, die in Wien leben, diese Kurse dann auch hier anbieten.

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