sex IN DER FREIZEIT: Sex nach Uhr

sex IN DER FREIZEIT: 19 Mal pro Tag
Frühmorgens ist der Sex angeblich am besten. Mag schon sein, aber häufig hat der Mensch um diese Zeit etwas anderes im Sinn als sein Hormon-Hoch.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

7 Uhr 30 also. Um diese Zeit soll der Sex – rein hormonell betrachtet – am besten sein, behaupten Experten für Körperrhythmen. Nachts Ebbe, morgens Flut. Vor allem in seinem Gemächt – die Testosteronwerte beim Mann schnalzen jetzt rasant ihrem Höhepunkt entgegen. Gegen acht (bis 10 Uhr) sind die Spermien in Partylaune. Captain Penis salutiert stramm auf der Landebrücke. Und sie? Sie hat geträumt, sie ist entspannt, sie ist warm, sie ist weich, sie ist willig. Weil sie (noch) nicht daran denkt, dass sie zur Bank, zum Supermarkt, in die Sitzung, zur Schwiegermutter muss. Und ein eitriges Wimmerl am Kinn hat. Noch ist der Alltag verschwommen, weit, weit weg. Also bitte, Madame, da ginge was – Sie oben, ich unten?

So weit die Theorie.

Die Praxis, na ja, hinkt den Gesetzen der Natur leider etwas hinterher. Menschen mit Kindern sitzen um diese Zeit oft einmal im Auto und stauen sich Richtung Schule. Jeder Anflug von Geilheit löst sich in Nichts auf, wenn im Fond der Familienkutsche zwei – sagen wir – 12-jährige Gymnasiastinnen diskutieren, ob der Justin Bieber oder der Johnny Depp süßer ist. Ure-süßer, nämlich. Und warum die Alexandra schon wieder so gemein zur Lena war. Ure-gemein, nämlich.

Sind die Kinder noch kleiner, ist ziemlich fix damit zu rechnen, dass die Knülche um diese Zeit bereits seit Stunden mit dem Grießkoch herumpatzen. Oder aber zu Teletubbies mit Kipferln bröseln. Ja, jetzt höre ich sie schon, die ganz Pfiffigen und Kinderlosen: "Supi, setzt sie vor den Fernseher, sperrt euch ein, nützt den Schnacksel-Slot! Dauert eh nur fünf Minuten." Aber bitte – wer schon einmal versucht hat, zu pädagogisch wertvollen Oeuvres wie "Wer hat den Tubby-Pudding verkleckert" oder "Po hat ein Geschenk" mitsamt diesem ständigen Oh-Oh-Uhohhh-Gestammel zu vögeln, weiß, wovon die Rede ist. Und nein, weghören funktioniert da gar nicht – zumindest nicht bei der Frau Mama. Die ist mit einem Ohr immer bei den Minis.

Und die Menschen ohne Kinder? Kommt drauf an. 60 Prozent der werktätigen Bevölkerung atmet um diese Zeit schon U-Bahn-Luft. Da hat sich’s dann zügig mit der Hormonflut im Schritt. Die restlichen 40 Prozent teilen sich in bereits Arbeitende oder Noch-Schlafende. Denn welcher Trottel stellt sich den Wecker, damit er Geschlechtsverkehr haben kann?

Was also immer noch unbeantwortet blieb, ist die Frage des richtigen Zeitpunkts. Nur so viel: Mag schon sein, dass die Evolution das Verkehrs-Konzept "Der frühe Vogel fängt den Wurm" für Menschen vorgesehen hat. Weil vielleicht um diese Zeit die Spermien am fittesten und die Eizellen am ausgeschlafensten sind. Aber: G’schnackselt wird am besten, wann’s fein ist. Das kann an einem Sonntag gegen zehn sein, im Halbschlaf, mitten aus einem Gruppensex-Traum heraus. Das kann aber auch nach einem Vollfetzen kurz nach Mitternacht passieren. Vielleicht zur Jausenzeit am Sonntagnachmittag – wenn die Kinder mit der Oma im Kasperltheater sind. Oder bei Justin Bieber im Kino. Klar ist: Sex braucht vieles, nur keine Stech-Uhr. Und Sex braucht Sätze wie diese: "Ich hab genug. Komm zieh dich aus." (Günther Grass)

gabriele.kuhn(at)kurier.at

Kommentare