sex IN DER FREIZEIT: Hallodrio

sex IN DER FREIZEIT: Hallodrio
Vom Anbandeln in sozialen Netzwerken hält die männliche Hälfte der Gesichtsbuch-Autoren sehr viel. Doch nicht jeder beherrscht die hohe Kunst verbaler Anbahnung.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Wohl deshalb muss sich eine Frau auf Facebook mit sehr vielen Sprachidioten herumschlagen. Typen, die kaum mehr als ein müdes "Hi", ein ödes "Hallllooo" oder irgendeine miese Floskel absondern können. Die Sprache ist es, die u. a. den Menschen vom Tier unterscheidet. Dieser hat dafür im Hirn ein spezielles Separee. Es sorgt - raffiniert verdrahtet - dafür, dass Homo sapiens Großes artikulieren kann. Etwa: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." (Ludwig Wittgenstein). Folglich kann selbst der klügste Affe bei halbwegs bravem Training kaum mehr als 100 Wort-Schätze erwerben - und die auch nur mit Hilfe manueller Symbole. Der Mensch fabuliert hingegen Weitsichtiges wie: Das Publikum klatscht doch nicht, weil ein Lied besonders gut ist, sondern weil es ein Lied bereits kennt. Es beklatscht sein eigenes Gedächtnis. (Max Goldt) Wer - so wie ich - oft auf seinen Facebook-Seiten verweilt, könnte schon mal meinen, dass der (in diesem Fall primär männliche) Mensch es gerade drauf angelegt hat, entwicklungsgeschichtlich den mentalen Status eines Primaten zurückzuerobern. Salopper formuliert: Wo bitte gibt's den Pfefferspray gegen vertrottelte Sprachattacken? Okay, man weiß: Facebook eignet sich recht fein zur Anbahnung. So mancher angehende Politiker hat sich damit schon ins Herz junger Anhänger geschrieben. Mit Verkehrs-Garantie, wie man hört: Jüngsten Umfragen zufolge glauben 58 Prozent der Männer an die Koitus-Anbahnungs-Maschine Facebook und sind daher dort auffällig hyperaktiv. Gestern erst. Nach dem Morgenkaffee logge ich mich bei FB ein. Nach nur fünf Sekunden - plopp, das Chat-Fenster geht auf. Ein Herr (Name der Redaktion auch nicht bekannt) erbricht ein an mich adressiertes Hallllllo in den Cyberspace. Halllllllllllo - was? L wie Lust? Lende? Libido? Lähmung allenfalls. Sowas von öd, voll schlechter Oral-Verkehr, vor allem aber: L wie laaangweilig! Früher gab's noch ein Grüß Gott, ein Guten Tag, ein Servus, einen Urlaubsgruß aus dem schönen Strudengau - wurscht. Irgendeine halbwegs verständliche Grußformel und Ansprache in geraden Sätzen. Jetzt regieren die Hallodris. Mittlerweile verfüge ich über eine Kollektion 20 mehr oder minder brunftiger Hallo-Varianten, eine peinlicher als die andere. Die mit dem vierfach-o: Halloooo! Die mit den platten Formeln Schöne Frau, Baby, Süße. Und auch das flötende Halliiiii ist recht üblich, aber deshalb noch lange nicht ansprechend. Tja und dann wäre da noch die infantile Du-Tussi-ich-Hero-Verkleinerungs-Form: Hallotschi bzw. etwas "germaner": Hallöchen. Das sind die Typen, die im Nahkampf dann zur Vagina So ein schönes Mauserl sagen und während des Vögelns womöglich ein Hallöchen, ist das ne geile Sause einstreuen. Danke, da pflanze ich mich dann doch lieber geschlechtslos wie die Blattläuse fort. Übertroffen wird der ganze Hallo-Wahn nur noch von der Hi-Society, deren Sprachvermögen über ein Hi, Hy, Hei gar nicht erst hinauskommt. Was ich auch überhaupt nicht leiden kann, sind all jene, die - geistig wohl bereits beischlafend - so tun, als würden wir einander eh schon total gut und lange kennen. Solche setzen mit Schwachsinn wie Wie geht's, bist schwimmen? auf lässige Pseudo-Intimität. An einem Tag, an dem es schüttet und das Wollwesterl kratzt. Aber das kann ja so ein erigierter Aff' auch wieder nicht wissen. gabriele.kuhn@kurier.at

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