Französisch in der Toskana
So manches Profil auf Online-Dating-Börsen liest sich wie aus dem Traumbuch für rollige Herren.
Das Online-Dating-Profil von Amanda las sich wie ein Gedicht aus der Rubrik „Gesucht/Gefunden“: „32-jährige Akademikerin, vollbusig, sucht erotisches Abenteuer.“ Dazu dieses Profilbild: Rothaarig, grünäugig, „Wanna-be-fucked-Blick“. Die „Interessen“ der Dame garantierten hohen Blutdruck südlich der Gürtellinie: Experimente mag sie, Champagner und Sex. Den bitte gerne „drei Mal täglich“. Bei Reisen ins Toskanische „würde sie abends trotzdem lieber französisch parlieren“, weiters trage sie nie Unterwäsche und wenn, dann sündige Strings.
Welch ein Gabelbissen für Herrn K. Der Mann – fleißig reisender Manager in blasser Ehe – treibt sich häufig auf einschlägigen Kontaktbörsen herum, weil er auf den einen oder anderen spannenden Seitensprung spitzt. Die feminine Akademikerin klang endlich nach extraordinärem Zeitvertreib, K’s Triebe brodelten auf Ich-will-haben-Modus. Man kam ins Schreiben.
Nach zehn Mails wurde virtuell gevögelt, K wollte nur mehr das da: Eine Runde Französisch – wurscht, ob in der Toskana oder in Gramatneusiedl.
Wie das Leben jedoch so spielt, folgte auf seine immer dringlicher werdende Anfrage nach einem Treffen die Ernüchterung: Die 32-jährige „Akademikerin“ offenbarte, dass das nicht ginge, weil er enttäuscht sein würde. „Enttäuscht wovon?“, hakte der Mann nach. „Enttäuscht von mir. In Wirklichkeit bin ich nämlich 45 und gar keine Frau.“ Seitdem hadert K ein wenig mit dem WWW – und sieht sich als „Online-Dating-Opfer“ mit posttraumatisch-homophoben Albträumen.
Ihm wird’s zwar wurscht sein, doch zum Trost: Der Herr K ist kein Einzelfall. In Großbritannien gibt es etwa eine erfolgreiche, sehr große Dating-Seite namens „Plenty of Fish“ (POF) – in deren Bereich „Intimate Encounter“ ging es bisher weniger um den Bund fürs Leben, sondern um Fuck & Fun. Mit einem Haken: das Gros der weiblichen Profile – also jener Damen, die angeblich scharf auf eine erotische Beziehung wären – ist ein Fake. Hinter vielen Profilen würden Männer stecken, die sich als Frauen tarnen, gab POF-Gründer Markus Frind vor Kurzem bekannt. Und warnte seine Plattform-Mitglieder per Mail: „Intimate Encounter ist ein Haufen geiler Männer, der mit einem Haufen geiler Männer kommuniziert, die wiederum vorgeben, eine Frau zu sein.“ Der Bereich ist nun geschlossen.
Was bleibt, ist die Frage: Warum tun Männer das? Psychologen orten dahinter mehrere Motive – eines davon scheint der verzweifelte Wunsch nach Aufmerksamkeit. Bei dem auf Kontaktseiten üblichen Männerüberschuss könne man mit einem weiblichen Profil mehr erreichen – an Kommunikation, an Austausch, an Zuspruch. Und so blöd das auch klingen mag: Manchen geht es genau darum. Andere wiederum können in der Anonymität des Cyberspace mit ihrer versteckten weiblichen Seite spielen, manche machen sich schlicht einen Sex-Jux.
Wie auch immer: Beim Online-Dating ist sowieso wenig echt. Studien zeigen nämlich: Auch Frauen lügen. Sie kommen zwar seltener als Mannsbild daher, dafür flunkern sie, wenn’s um ihr Gewicht geht. Männer wiederum geben gerne den Super-Johnny mit fettem Konto.
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