Peinlich berührt
Was sich die Mutter oder der Vater eines Teenagers auf jeden Fall rot ins Buch des Lebens notieren sollte, ist der Grundsatz: "Ich bin urpeinlich." Das gilt eigentlich für alles, was man im Umfeld eines Menschen im besten Pubertätswahn tut. Das Optimum wäre es wohl, sich in bestimmten Momenten zu dematerialisieren.
Diese Erkenntnis hat Folgen für den gemeinsamen Alltag, es wird nämlich immer schwieriger für die Elternteile, das Richtige im richtigen Moment zu tun. Weil am Ende immer rauskommt: Egal, was die auch anstellen, es ist eh nur scheiße. Am schlimmsten ist das, wenn andere Teenager den Teenager des Hauses besuchen. Da habe ich für mich etwa festgestellt, dass ich mich immer weniger natürlich verhalte, sondern mir Strategien ausdenke, wie ich bei den Kids suprig ankomme. Wenn ich zum Beispiel das bevölkerte Jugendzimmer betrete, um nachzufragen, ob denn jemand eine Jause wolle oder hungrig sei, atme ich vorher drei Mal ein und drei Mal aus. Ich lege mir coole Sätze zurecht, wie: "Leute, was steht hungermäßig an?" Oder "Ich hätte ein paar megaarge Mannerschnitten zu bieten – was geht?" Die Blicke der Anwesenden fallen verächtlich bis verständnislos aus, das eigene Kind schiebt einen urepeinlich berührt aus dem Raum und rügt: "Warum fragst du nicht einfach, ob wir Hunger haben?"
Eine Welle des Selbstmitleids schwappt bis in die Küche: Ja, jetzt bist du alt, du störst, du biederst dich an. Dieser Vorwurf bezieht sich im Grunde auf alles, was Mütter und Väter machen – außer man nimmt gerade seine Rolle als Geldgeber oder Chauffeur wahr.
Das macht es unmöglich, mit den Jugendlichen ein konstruktives Gespräch zu führen. Über Sex etwa. Irgendwann kommt ja in der Kindererziehung der Punkt, wo man als Mutter/Vater hier ein vages Versäumnis erahnt. Okay, das mit den Bienchen und Blümchen war. Aber die großen Fragen? Panikattacke! Weiß das Kind, wozu man Kondome braucht? Wie kommt es mit den Abgründen des Internets zurecht? Und, natürlich: Wissen die Kids wirklich, woher die kleinen Kinder kommen? Das ist der Moment, wo sich die Erziehungsberechtigten bei Tische zurücklehnen, tief durchatmen und sagen: "Duhu, wir sollten da mal über was reden." Dem Kind schwant Schlimmes: "In der Schule ist im Moment echt alles ur in Ordnung derzeit." Die Eltern: "Nein, es geht um was anderes. Du weißt schon. Du bist ja jetzt groß. Und so. Ähem." Der Sohn einer Freundin sagte daraufhin zum Vater: "Wenn du mit jemandem über Sex reden willst, dann ruf eine Hotline an. Mit! mir! nicht!" Schlurfender Abgang, schlagende Tür, laute Musik.
Wenn es Ihnen auch so geht: Sie sind nicht alleine, es handelt sich hier um ein globales Phänomen. Eine US-Studie ergab, dass sich Jugendliche beim Gespräch mit ihren Eltern zum Thema Sex noch unwohler fühlen als die Erwachsenen selbst. Was tun? Rechtzeitig drauf schauen, dass man’s hat, wenn man’s braucht. Heißt: Die Kinder aufklären, so lange sie Mami und Papi noch mit großen Augen lauschen und sagen: "Noch eine Geschichte, büütte!" Für alle, die gerade an diesem Punkt sind – genießen Sie. Ein paar Jahre später werden Sie sich wie ein seniler Volltrottel fühlen.
gabriele.kuhn(at)kurier.at
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