Hurra, wir l(i)eben noch

Endlich! Frühling. Ostern. Zartes Grün. Jetzt heißt’s: hoffen. Hoffen auf Sonne, auf hellere Tage, auf Liebesglück, auf Neustart, auf Leben. Doch wer denkt, dass Hoffnung nicht auch ein wenig mit Sex zu tun hat, irrt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Vielleicht würde ein frecher Werbetexter es so formulieren: "So muss Liebe."

von Gabriele Kuhn

über die Hoffnung im Frühling.

Eines ist klar: Auch in der Liebe spielt die Hoffnung eine oscarreife Rolle. Gleich zu Beginn wird meist exzessiv gehofft – auf den ersten Anruf, auf das Wiedersehen nach dem ersten Date, auf gutes Licht beim ersten Sex (sie), auf eine schöne Erektion bei ebendiesem (er), auf einen multiplen Orgasmus beim 20. Sex (sie), auf nette Schwiegereltern (er), auf schönes Wetter bei der Hochzeit, auf eine gute Zukunft, auf Durchhaltevermögen, auf Treue, aufs Verzeihen, auf das gemeinsame Altwerden. Und darauf, dass der andere nicht zuerst stirbt, wenn schon jemand sterben muss. Erfüllte Hoffnung ist erfüllte Liebe.

Genau betrachtet, ist jede Beziehung eine Aneinanderreihung von Hoffnungen und Erwartungen, aber auch von nicht erfüllten Hoffnungen und Erwartungen. Gut so, irgendwie. Denn dort, wo Resignation und „Eh-scho-wurscht“-Attitüden zu wuchern beginnen wird’s sowieso ungut. Da steht alles still, da dümpelt die Liebe auf geduldetem Durchschnittsniveau dahin. Dann besser: aufhören, gehen, woanders hoffen. Weil es auf Hoffnung begründete Perspektiven braucht, damit was weitergeht. Vielleicht würde ein frecher Werbetexter es so formulieren: „So muss Liebe.“

Auch beim Sex selbst dreht sich ganz viel um Hoffnung – hier geht’s, nicht nur metaphorisch, um diese herrliche Euphorie des Neubeginns. Sie macht uns spüren: Hurra, wir leben noch! Gut ist das. Schön ist das. Das lässt uns hoffen, weitertun, die Welt umarmen, Höhepunkte fühlen, Glück atmen. Sexualität ist jene Kraft, die imstande ist, zu transformieren und die Welt im Kleinen zu verändern. Oft einmal entsteht daraus ein neuer Mensch. Wenn’s passt, ehrlich: Was gibt es Schöneres?

Den Begriff „Hoffnungs-Sex“ gibt es übrigens wirklich. Er kursierte in den USA nach der Wahl Barack Obamas als Pendant zum „Terror-Sex“ rund um den Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 2001. Mit körperlicher Nähe versuchten verzweifelte Menschen damals, der Endzeitstimmung zu entfliehen. Eine Form von Überlebensreflex, vielleicht auch eine Flucht in den Moment des Sich-Verlierens oder der Versuch, sich zu versöhnen. Mit dem Ex, mit sich selbst, mit dem Leben. Ein „letztes“ Mal noch. Ja, auch das kann Sex.

Doch zurück zum hoffnungsfrohen Vögeln rund um Mr. Presidents Wahl: Es geschah auf Parties, unter Alkoholeinfluss, es war fröhlich, leicht und zukunftgewandt. Es war die Lust, aufzubrechen – das Alte zu lassen, das Neue zu teilen, die Wende zu schaffen. Ein nettes Rezept für eine feine, eindringliche und vielleicht sogar unvergessliche Nummer – hier schuf die Hoffnung einen kleinen, aber feinen kollektiven Lustrausch. Der wird bei uns zwar wahltechnisch in nächster Zeit eher nicht zu erwarten sein, aber: hoffen wir. Wenn’s sein muss, ganz bewusst. Die Forscherin Jennifer Cheavens sagt nämlich: „Die gute Nachricht ist, dass jeder lernen kann, zu hoffen.“ Sie weiß das aus einer Studie mit Menschen, die mit ihrem Leben unzufrieden waren. Jenen, die gelernt hatten, sich durch Hoffnung zu motivieren, ging’s besser. Ach ja: Hoffnung kommt von „hopen“ – hüpfen, springen, zappeln. Passt.

Also ab ins Bett – eine Runde zappeln und hüpfen.

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