Golatsche Gabriele
Ein Mann, der einer Frau während des Vögelns ins Ohr flüstert „Du schmeckst lecker“, ist unappetitlich.
Kochen ist der neue Sex, heißt’s oft. Das ist nicht unrichtig. Auf Facebook oder Twitter posten die Menschen weniger genitale Befindlichkeiten als das, was gerade gekocht und gegessen wird.
Kein Tag also ohne Fotos von Puddings, Götterspeisen und saftigen Braten. Man tauscht Rezepte aus, likt die Torten der Freunde und postet „mmmmh, lecker!“. Einwurf: Es gibt kaum ein unerotischeres Wort als „lecker“. Ein Mann, der einer Frau während des Vögelns ins Ohr flüstert „Du schmeckst lecker“, ist unappetitlich.
Doch zurück zum Thema. Ich bin nicht der Meinung, dass Kochen der neue Sex sei – gekocht, gegessen und nachher gevögelt (oder alles gleichzeitig) haben die Menschen doch schon immer. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Buch ein, über das ich schon lange schreiben wollte. Es heißt „Der arme Ritter“ und wurde von dem österreichischen Schauspieler August Schmölzer geschrieben. Es ist Roman und „erotisches Kochbuch“ zugleich – der Klappentext: „Karl Kater ist ein Mann, der die große Liebe sucht und davon träumt: ein kleines Restaurant zu haben, um dort exklusiv für seine Gäste zu kochen. Nicht für jeden und nur dann, wenn und wann er will.“
Schmölzer beschreibt hier den sinnlichen Zusammenhang von Essen, Trinken, Denken und Lieben – und rankt seine Gerichte um Liebschaften. Jeder Dame wird ein Rezept gewidmet: „Gänseleber à la Regina“, „Ochsenfleisch à la Bärbel“, „Carpaccio Jeannine“, Forelle Julia“, „Auster Ulrike.“ Die Sprache ist erotisch-kulinarisch: „Bitte sei zärtlich zu mir“, flüsterte Regina, „bitte ganz zärtlich, mein Königskater“. Das tat ich, genauso hatte ich das erste Mal Salzburger Nockerln gemacht, und sie waren gelungen. Luftig gelb und knusprig goldbraun, genauso sanft war ich nun zu meiner Regina.
Das ist sehr schön zu lesen, aber natürlich frage ich mich, ob ich es so toll fände, würde ein Mann mir ein Gericht widmen: Grammelknödel à la Gaby etwa. Oder „Kalbsgulasch Madame Kuhn“. So verlockend das auch klingen mag: Nein. Ich will kein Essen sein und keinesfalls mit einer Speise assoziiert werden. Ich will nicht, dass einer mit glänzendem Blick am Champagner nippt, Austern schlürft, einen Hummer zerlegt und dabei an mich denkt. Eine schreckliche Vorstellung auch, auf einer Speisenkarte einer Konditorei als Nachmittagsjauserl zu erscheinen: Cremeschnitte nach Art der Gabriele. Oder: Golatsche „Gaby“.
Ich möchte nicht, dass jemand beim Rühren üppiger Cremes Erinnerungen an mich wachmixt, und sagt: Da werde ich mir jetzt die Gute schmecken lassen. Ich will weder Fleisch noch Fisch sein, noch mit Gurkerln oder gar mit Grammeln assoziiert werden. Nicht auszudenken, würde mir jemand einen Smoothie widmen. Gatsch „Gaby“. Nein danke. Ich bin göttlich, aber keine Götterspeise. Ich bin Gabriele, und was das betrifft, eindeutig ungenießbar.
Im Übrigen gilt das alles auch für Männer. Wer mag schon, dass Rühreier, Käsespätzle oder Dampfnudeln so heißen wie man selbst? Einzig im Kontext eines Rindfleischgerichts wäre die Umwidmung zumutbar: Ich kenne den einen oder anderen Herrn, der wäre stolz, würde eine Ochsenschwanzsuppe nach ihm benannt werden. Guten Appetit.
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