Darf ich das?
Viele Männer sind verunsichert und fragen: Was tun? Was geht, was geht nicht? Zugegeben, leicht haben sie es gerade nicht.
Immer noch wird über das Thema Nr. 1 der vergangenen Wochen diskutiert. Die Sexismus-Debatte ist auch bei uns, in der gemischten Arbeitssauna, gelandet. Mit so manch hitziger Auseinandersetzung. Und so manchem Witz.
Wobei: Das Wort „Witz“ scheint man ja in dem Kontext gar nicht in den Mund nehmen zu dürfen. Aufgepasst: Ist der Satz „in den Mund nehmen“ hier überhaupt angebracht? Was darf ich, was nicht? Gilt für mich – weil weiblich, Sexkolumnistin, einschlägig – der Freispruch? Schwer zu sagen, zumal die Diskussion sehr überhitzt, um nicht zu sagen überspannt war/ist. Das soll sein, das ist gut so, weil ich doch hoffe, dass sich am Ende die Gemüter wieder – gewandelt – positionieren und im besten Fall etwas Gutes dabei rauskommt. Mehr Bewusstheit, mehr Sensibilität und Achtsamkeit, zum Beispiel. Erst denken, dann reden. Frauen und Männer, die über sich und ihre Ängste, Sehnsüchte, Wünsche, Grenzen sprechen und versuchen, einander zu verstehen, um es besser miteinander zu haben. Mir sehr, sehr wichtig: Ich finde gar nicht gut, was da alles so vermischt wurde und wird. Sexismus mit sexuellem Übergriff, Blicke mit konkretem Antatschen, Bemerkungen mit expliziter sexueller Gewalt. Das ist wenig hilfreich, weil damit Dinge verharmlost werden, die man auf keinen Fall verharmlosen darf und umgekehrt: Weil manches eine Zuspitzung erfährt, die – genau besehen – ungerechtfertigt ist.
Daher, um Missverständnissen vorzubeugen: Ich schreibe in dieser Kolumne nicht über sexuelle Gewalt, nicht über körperliche Übergriffe, nicht über massive Herabwürdigung innerhalb von Machtgefällen. Sondern über die so genannte anzügliche Bemerkung, den „Sager“ um des Effektes willen. Ich schreibe über das Spiel zwischen Mann und Frau – und die Möglichkeiten dieses Spiel-Raums. Denn fast täglich werde ich von Männern gefragt: Hey, was darf ich überhaupt noch? Dabei sehe ich die Verunsicherung – und was ich auch noch sehe: eine Form von Wut. Wut darüber, dass nix mehr geht, dass nix mehr gut genug scheint, dass alles, was Männer tun, auf die Waagschale gelegt wird. Davon wird genau nix besser, im Gegenteil: das schadet. Ich werde jetzt zwar keine Selbsthilfegruppe für die Herren gründen, aber verstehen kann ich sie. Da sind nämlich Burschen dabei, die einerseits Meister der schlüpfrigen Bemerkung sind und andererseits – wenn’s drauf ankommt – präsent und sensibel sind, zuhören, das Richtige im richtigen Moment sagen. Die fetzt es grad ziemlich.
Was sollen sie sein und tun? Säuselnde Softies mit metrosexuellen Allüren oder doch lieber (weil derzeit bei Frauen ziemlich en vogue) eine Mischung aus „Die-hard“-Hero und „Fifty-Shades-of-Grey“-Sado/Maso-Meister? Vielleicht sollten wir Frauen darüber auch einmal nachdenken. Mich hat’s auf jeden Fall im Kontext der Brüderle-Herrenwitz-Anprangerei (ältlicher FDP-Politiker sagt zu junger Journalistin nachts an einer Bar: „Sie würden ein Dirndl gut füllen“) ziemlich gerissen, als ich folgenden Aspekt im „ The European“ las – geschrieben von einer Frau: „Vielleicht wäre uns diese ganze Debatte erspart geblieben, wenn an diesem ominösen Abend an der Bar nicht Rainer Brüderle, sondern George Clooney gestanden hätte ...“
gabriele.kuhn@kurier.at
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