Lesen muss man können

Lesen muss man können
Schule - und der Rest des Lebens: Niki Glattauer über das Leseverhalten heimischer Schülerinnen.

Facebook, SMS, die Zeitung. Nein, die Zeitung lesen unsere Schülerinnen nicht, zu viele Buchstaben. Dafür SMS quasi rund um die Uhr.- Kannst du auch nicht schlaffen? - Bis jetzt schon, du Mistgeburt. Lesen sollte man als Schülerin also können, zumindest die wichtigsten Politikerinneninserate, sonst weißt du ja nachher nicht, wo du dein X machen sollst, wenn sie dich ab 16 mit Gratisgummibärli in die Zelle locken. Nun wurden unlängst alle Wiener Lehrerinnen, die in einer 5. Schulstufe tätig sind, schulbehördlicherseits dazu angehalten, eine Woche lang mit ihren Klassen nur zu lesen. Leider war die Aktion für die zweite Schulwoche verordnet, und wie jede weiß: 5. Schulstufe = neue Schule. Und zweite Schulwoche in einer neuen Schule = alle eher unentspannt: Sabrina zum Beispiel (Papa Notstandshilfeempfänger, Mama Callcenter) ist unentspannt, weil sie die € 25,- für den Elternverein schon wieder nicht mithat und ganz im Stillen weiß, dass sich das heuer auch nicht mehr groß ändern wird. Marc-Manuel (Papa Boniempfänger, Mama Gattin), ist es, weil Bruno das noch neuere SmartPhone mithat. Und wir Lehrerinnen registrieren mit wachsender Sorge die ersten Kollateralschäden, die das Herstellen der Rangordnungen in den Klassen mit sich bringt. Aber sinnerfassend lesen sollst du da mit ihnen! Die Gewerkschaft der "aktiven Pflichtschullehrerinnen" ("apfl-ug") hat sich jetzt in einem Brief an die Schulbehörde über die "Husch-Pfusch"-Aktion beschwert, zu der "praxisferne Personen eine gute Projektidee" gemacht hätten (Verfasserin T. Halama). Was ich immer sage: Praxisferne Personen, Ranking: 1. Bildungspolitikerinnen 2. Bildungsexpertinnen 3. Schulbehörde.Niki Glattauer ist Lehrer in Wien und Buchautor. Eben erschienen: "Die PISA-Lüge", Ueberreuter

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