Politik von innen: Selber bremsen oder gebremst werden

Politik von innen: Selber bremsen oder gebremst werden
Vom innenpolitischen Getöse um die Schuldenbremse wird übertönt, worum es eigentlich geht.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Die Krise in der Eurozone treibt einer gefährlichen Zuspitzung entgegen. Immer weniger Anleger wollen Staatsanleihen von Euroländern kaufen, diese Woche war allseits von einem "Käuferstreik" die Rede. Dadurch droht den Euro-Staaten entweder das Geld auszugehen - Beispiel Italien, das allein im Dezember 22 Milliarden neue Kredite braucht, im Jahr 2012 sind es gar 320 Milliarden. Wer soll Italien diese Summen borgen? Oder, und davon ist auch Österreich betroffen, die Zinsen für die Staatsschulden steigen, was wiederum die nötigen Sparpakete noch größer macht. Um das Vertrauen der Anleger in die Euroländer wieder herzustellen, drängt die EU, und in allererster Linie Deutschland, dass alle Eurostaaten Schulden und Budgetdefizite abbauen. Am 26. Oktober wurde eine EU-weite Schuldenbremse im Rat der Staats- und Regierungschefs mit Stimme von Kanzler Werner Faymann beschlossen. Damit verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, die Schuldenbremse "im Verfassungsrang oder gleichwertig" umzusetzen. Die Schuldenbremse ist ein Vehikel, eine Verpflichtung zur Budgetdisziplin. In der heimischen Politik wird sie von Gewerkschaftern und Ländern bekämpft. Die Gewerkschafter wollen sie nicht in der Verfassung haben, denn als einfaches Gesetz kann man sie leichter umgehen. Ohne Zweidrittelmehrheit müssen sich auch die Länder nicht daran halten. Insofern macht sich BZÖ-Chef Josef Bucher , weil er die Zustimmung zur Schuldenbremse verweigert, zum Helfershelfer von Landesfürsten und Gewerkschaftern. Die nächste Chance, Strukturreformen durchzusetzen, schwindet dahin. Der Kanzler gibt bereits nach. Er ist bereit, eine Schuldenbremse auch ohne Verfassungsmehrheit zu akzeptieren. Was werden Gewerkschafter, Arbeiterkammer, Landesfürsten & Co. eigentlich machen, wenn die EU - angeführt von Deutschland - die Schuldenbremse zwangsweise in den Eurostaaten einführt? Wenn es um die Ratifizierung eines neuen EU-Vertrags im Parlament oder gar um eine Volksabstimmung darüber geht? Diese Woche haben sich Deutschland und Frankreich darauf geeinigt, bereits Anfang Dezember Vorschläge für einen neuen EU-Vertrag vorzulegen. Auch Italien ist an Bord. Der informelle Beschluss fiel bei einem Mittagessen von Angela Merkel , Nicolas Sarkozy und Mario Monti in Straßburg. Deutschland drängt auf eine Steuer-Union, auf EU-Durchgriffsrechte zur Einhaltung der Budgetziele, auf eine Schuldenbremse für alle. Ein Zweck der angekündigten Vertragsänderung ist: Mit dem Abschaffen der chaotischen Zustände im EU-Management soll das Vertrauen der Anleger wieder gewonnen und die Eurokrise endlich unter Kontrolle gebracht werden. Am 8. Dezember beginnt ein zweitägiger EU-Gipfel, an dem all das besprochen werden soll. Der Besuch von Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble am 6. Dezember in Wien - er ist Gast auf dem EU-Kongress von Vizekanzler Michael Spindelegger - fällt in die Phase unmittelbar vor diesem brisanten EU-Gipfel. Faymann hat sich bisher stets gegen eine Vertragsänderung ausgesprochen. Sie sei "nicht nötig". An Österreich laufen die Entwicklungen auf EU-Ebene offenbar ziemlich vorbei.

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